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Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Titel: Was bleibt: Kerngedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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nicht; ist er dann noch der gute Gott, auf den ich mein Vertrauen setzen soll? Oder er kann und will es nicht, ist er dann nicht machtlos und mißgünstig zugleich? Nicht doch ein Despot, ein Betrüger, Spieler, Henker?
    Gibt es denn angesichts der überwältigenden Realität des Leids im Menschenleben und in der Menschheitsgeschichte zur Hoffnungslosigkeit der Simone de Beauvoir eine Alternative? Eine Alternative auch zur Empörung etwa eines Iwan Karamasoff gegen diese für ihn inakzeptable Gotteswelt? Oder zur Revolte eines Camus, der wie Dostojewski auf die Leiden der unschuldigen Kreatur hinweist? Statt als emanzipierter, autonomer Prometheus sich gegen die Macht der Götter aufzulehnen oder aber wie Sisyphus den Felsblock vergeblich immer neu den Berg hinaufzuwälzen, von dessen Gipfel der Stein von selbst wieder herunterrollt, kann man, wie wir sahen, die Haltung des Hiob einnehmen: trotz allem Leid dieser Welt ein unbedingtes, unerschütterliches Vertrauen zum unbegreiflichen Gott. Aber die Frage kommt einem doch: Was ist das für ein unbegreiflicher, teilnahmsloser Gott, der, erhaben über allem Leid, Menschen in ihrem unermeßlichen Elend sitzen, kämpfen, protestieren, umkommen oder eben einfach resignieren und sterben läßt? Dies ist Anlaß zum Atheismus für viele.
    Freilich, auch diese Frage läßt sich umkehren: Ist Gott wirklich so erhaben über allem Leid, wie wir ihn uns menschlich vorstellen und bei allen unseren Protesten voraussetzen, wie ihn gerade Philosophen denken? Gewiß kann einer sagen: Wenn man das unendliche Leid der Welt anschaut, kann man nicht glauben, daß es einen Gott gibt. Doch läßt sich auch umgekehrt sagen: Nur wenn es einen Gott gibt, kann man dies unendliche Leid der Welt überhaupt anschauen! Wir denken an den Göttlicheren Gott: Erscheint Gott nicht gerade in Leben und Leiden Jesu doch in einem anderen Licht ? Ist in Jesu Leben und Leiden nicht über alle Unbegreiflichkeit Gottes hinaus, wie sie Hiob so schmerzlich erfuhr, eine definitive Erlösung durch den unbegreiflichen Gott offenbar geworden, die Leid und Tod zum ewigen Leben und zur Erfüllung aller Sehnsucht wandelt? Gewiß, das Faktum des Leidens kann auch von Jesus her nicht rückgängig gemacht werden; es bleibt immer ein Rest von Zweifel möglich. Nur das eine, allerdings Entscheidende, läßt sich vom Leben und Leiden dieses Einen den anscheinend sinnlos Lebenden und Leidenden sagen: Auch manifest sinnloses menschliches Leben und Leiden kann einen Sinn haben, kann einen Sinn bekommen!
    Einen verborgenen Sinn: Ich kann ihn meinem Leben und Leiden nicht selbst anheften, aber ich kann ihn im Lichte des vollendeten Lebens und Leidens dieses Einen empfangen. Keine automatische Sinn-Gebung: Es sollkein menschliches Wunschdenken befriedigt, keine Leidverklärung proklamiert, kein psychisches Beruhigungsmittel, kein billiger Trost vermittelt werden. Wohl aber ein frei-bleibendes Sinn-Angebot . Auch hier muß ich mich entscheiden. Ich kann diesen – verborgenen – Sinn ablehnen: in Trotz, Zynismus oder Verzweiflung. Ich kann ihn auch annehmen: in glaubendem Vertrauen auf ihn, der dem sinnlosen Leiden und Sterben Jesu Sinn verliehen hat. Es erübrigt sich dann mein Protest, meine Empörung, die Frustration bleibt aus, die Verzweiflung hat ein Ende. Das Gott-Vertrauen als Verwurzelung des Grundvertrauens erreicht hier seine größte Tiefe.
    Ein mit-leidender Gott
    Dieses Sinn-Angebot bedeutet ganz konkret: Meine Situation mag noch so trostlos, sinnlos, verzweifelt sein – auch hier ist Gott da. Nicht nur im Licht und in der Freude, auch im Dunkel, in der Trauer, im Schmerz, in der Melancholie kann ich ihm begegnen. Was von Leibniz behauptet und von Dostojewski dunkel erspürt, das wird dem Hiob bestätigt und vom auferweckten Gekreuzigten her definitiv offenbar und gewiß: Auch mein Leiden ist von Gottumfangen, auch mein Leiden kann bei aller Gottverlassenheit Ort der Gottbegegnung werden . Damit weiß ich keinen Weg am Leid vorbei, aber ich weiß einen Weg hindurch: in aktiver Indifferenz letztlich gelassen gegenüber dem Leid und gerade so zum Kampf gegen das Leid und seine Ursachen bereit. Mit dem Blick auf den einen Leidenden und in glaubendem Vertrauen auf den, der in seinem und meinem Leid verborgen anwesend ist und der selbst in äußerster Bedrohung, Sinnlosigkeit, Nichtigkeit, Verlassenheit, Einsamkeit und Leere mich trägt und hält, darf ich wissen: Es ist ein Gott, der als Mit-Betroffener neben den

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