Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)
Menschen steht, ein Gott, solidarisch mit den Menschen. Kein Kreuz der Welt kann das Sinn-Angebot widerlegen, das im Kreuz des zum Leben Erweckten ergangen ist.
Nirgendwo deutlicher als in Jesu Leben und Wirken, Leiden und Sterben ist es mir sichtbar geworden: Dieser Gott ist ein Gott für die Menschen, ein Gott, der ganz auf unserer Seite steht! Nicht ein angstmachender, theokratischer Gott »von oben«, wie man ihn mit Bloch noch im Alten Testament feststellen kann. Sondern ein menschenfreundlicher, mit-leidender Gott , »mit uns unten«. Nein, nicht ein grausamer Willkür- und Gesetzesgott hat sich mir in Jesus manifestiert, sondern ein mir als rettende Liebe begegnender Gott, der sich in Jesus mit mir solidarisiert hat, der Liebe nicht fordert, sondern schenkt: der selber ganz Liebe ist:»Denn Gott ist Liebe. Darin ist die Liebe Gottes zu uns offenbargeworden, daß Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben.«
Gegen einen über allem Leiden in ungestörter Glückseligkeit oder apathischer Transzendenz thronenden Gott kann ich revoltieren. Aber nicht gegen den Gott, der mir in Jesu Leid sein ganzes Mit-Leid geoffenbart hat. Gegen eine abstrakt betrachtete Gerechtigkeit Gottes und gegen eine für die Gegenwart prästabilierte oder für die Zukunft postulierte Harmonie des Universums kann ich revoltieren. Aber nicht gegen die in Jesus manifest gewordene Liebe des Vaters der Verlorenen, die in ihrer voraussetzungslosen Grenzenlosigkeit auch mein Leid umfaßt, meine Empörung zum Schweigen bringt, meine Frustration überwindet und mir in allen anhaltenden Nöten ein Durchhalten und schließlich ein Obsiegen ermöglicht.
Gottes Liebe bewahrt mich nicht vor allem Leid. Sie bewahrt mich aber in allem Leid. So hebt für mich in der Gegenwart an, was freilich erst in Zukunft vollendet sein wird: der definitive Sieg der Liebe eines Gottes, der nicht ein teilnahmsloses und liebloses Wesen ist, den Leid und Unrecht nicht rühren können, sondern der sich in Liebe selber des Leids der Menschen angenommen hat und annehmen wird. Der Sieg der Liebe Gottes, wie sie Jesus verkündet und manifestiert hat, als der letzten, entscheidenden Macht: Das ist das Gottesreich! Denn die Sehnsucht Blochs, Horkheimers und Ungezählter in der Menschheitsgeschichte nach Gerechtigkeit in der Welt, nach echter Transzendenz, nach »dem ganz Anderen«, »daß der Mörder nicht über das unschuldige Opfer triumphieren möge« , soll in Erfüllung gehen. Wie auf den letzten Seiten der Schrift jenseits aller kritischen Theorie und kritischen Theologie verheißen: »Gott selbst wird als ihr Gott bei ihnen sein Er wird alle ihre Tränen abwischen. Es wird keinen Tod mehr geben und keine Traurigkeit, keine Klage und keine Qual. Was einmal war, ist für immer vorbei« (Apk 21,4).
»Existiert Gott?« (1978), S. 757 – 760.
Gott und das Leid
Zum ersten Mal hat sich Hans Küng 1967
mit dem Problem des Leidens und der Theodizee auseinandergesetzt. Dem hier abgedruckten Kapitel zur Hiobsgestalt geht ein Kapitel zu Dostojewski unter dem Titel »Empörung« voraus.
Der Kampf des Hiob
Ob der Mensch Gott rechtfertigen kann? Ist denn die Frage richtig gestellt? »Es war ein Mann im Lande Uz, der hieß Hiob.« Er war gottesfürchtig und dem Bösen feind. Er war glücklich und besaß alles: eine glückliche Familie und eine reiche Habe. Und er verlor alles: seine Familie, seine ganze Habe, seine Gesundheit, alle seine Freunde. Zum Bettler geworden, nackt wie er geboren, mit dem Aussatz behaftet saß er da: die Frage der Theodizee war gestellt.
In einer monumentalen Dramatik, die nicht in einer äußerlich fortschreitenden Handlung, sondern in einem ununterbrochenen Hin- und Hergerissensein zwischen Zweifel und Vertrauen, Empörung und Hingabe, Glaube und Unglaube besteht, setzt sich dieses einzigartige Dokument aus dem fünften bis zweiten vorchristlichen Jahrhundert – man hat es eines der bedeutendsten Werke der Weltliteratur genannt – mit der Frage des unverschuldeten Leidens und der Rechtfertigung Gottes auseinander. Durch Hiob wird mehr als eine philosophisch-theologische Denkfrage gestellt. Wie bei Dostojewski versucht hier ein Mensch, der im grundlosen Leid den Boden unter den Füßen verliert und sich gegen Gott empört, einen letzten Halt zu gewinnen.
Was sich an theoretischen Argumenten für den Sinn des Leidens und die Gerechtigkeit vorbringen läßt, wird Hiob von seinen Theodizee treibenden
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