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Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Titel: Was bleibt: Kerngedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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auf meinem Stöhnen.
    O daß ich wüßte, wo ich ihn fände,
    daß ich gelangte vor seinen Thron!
    Vorlegen wollte ich ihm die Sache
    und meinen Mund mit Beweisen füllen,
    wollte wissen, wie er mir Rede stünde,
    und vernehmen, was er mir sagen könnte!
    Würde er in Allmacht mit mir rechten?
    Ach wollte er nur auf mich achten!
    Da würde ein Redlicher mit ihm rechten,
    und für immer rettete ich mein Recht.
    Er weiß ja, welchen Weg ich wandle;
    prüft er mich, wie Gold gehe ich hervor.
    In seiner Spur blieb fest mein Fuß;
    ich hielt ein seinen Weg und wich nicht ab.
    Von dem Gebote seiner Lippen ließ ich nicht,
    im Busen bewahrte ich die Reden seines Mundes.«
    (23,2   –   7.10   –   12)
    Wie soll Hiob je aus dem Widerspruch herauskommen? Immer wieder bäumt er sich leidenschaftlich auf gegen Gottes Unbegreiflichkeit, immer wieder sinkt er verzweifelnd zurück in seine eigene Erbärmlichkeit. Kann er denn trotz all seinem Leid je zugeben, daß er durch eine schwere Schuld das bisher ungebrochene Gottesverhältnis gestört habe? Andererseits, was soll ihm das Überzeugtsein von seiner Unschuld nützen, wenn Gott frei ist und sein Recht allein gilt? Trotz allen tröstlichen Durchstößen erscheint ihm Gott in der Maske des Dämons (16,7   –   17). Hiobs größte Anfechtung in seinem grundlosen Leiden ist in der Tat, daß Gott selbst gegen ihn, daß er sein Feind zu sein scheint. Gottes Handeln scheint ihm von einer erschreckenden Willkür und Gewalttätigkeit zusein:
    »Er aber wollte es – wer mag ihm wehren?
    Sein Herz begehrte es – und er vollbringt’s.
    Denn er vollendet, was mir bestimmt ist,
    und so hält er’s allewege.
    Darum erschrecke ich vor seinem Angesichte,
    betrachte ich’s, erzittre ich vor ihm.
    Ja, Gott hat mir das Herz verzagt gemacht,
    und der Allmächtige hat mich erschreckt.
    Denn ich vergehe vor der Finsternis,
    und mein Angesicht bedeckt das Dunkel.« (23,13   –   17)
    Gottes Gerechtigkeit im Weltenlauf, die den brutalen Reichen hilft und die schwachen Armen im Stiche läßt, die die Versklavung der Waisenkinder erlaubt und die dunklen Verbrechen ungesühnt läßt, ist nicht zu erkennen: »Ist es nicht so? Wer will mich Lügen strafen und meine Rede zur Lüge machen?« (24,25) Hiob, der früher im Lichte der Gottesgemeinschaft stand, steht gottverlassen vor dem Untergang:
    »Ich schreie zu dir, doch du erhörst mich nicht;
    ich stehe vor dir, und du achtest nicht mein.
    Du wandelst dich mir zum grausamen Feinde;
    mit gewaltiger Hand befehdest du mich,
    hebst auf den Sturm mich,
    lässest mich dahinfahren,
    lässest mich zergehen ohne Rettung.
    Ja, ich weiß: dem Tode willst du mich zuführen,
    dem Haus, wo alles Lebende sich einstellt.« (30,20   –   23)
    Das Letzte, was Hiob tun kann, ist, noch einmal in feierlichster Form – in der Form eines Reinigungseides – seine Unschuld zu beteuern und sich selbst zu rechtfertigen: Weder der Begehrlichkeit noch der Falschheit, »weder des Ehebruchs noch der Ungerechtigkeit, weder der Ungastlichkeit noch der Heuchelei, weder des Geizes noch der Schadenfreude, weder der Hartherzigkeit noch des Aberglaubens braucht er sich zu zeihen. Wahrhaftig, steht er nach allen Schritten seines Lebens, die er Gott vorrechnen kann, nicht voll gerechtfertigt da? Darf er es nicht wagen, in kühner Selbstsicherheit – nicht als ein Schuldbeladener, sondern »wie ein Fürst« – sein Recht zu fordern, Gottes Urteil herauszufordern ?
    »Ach, daß ich einen hätte, der mich hörte!
    Hier meine Unterschrift.
    Der Allmächtige gebe mir Antwort!
    Hätt’ ich die Klageschrift,
    die mein Widersacher schrieb!
    Wahrlich, auf meine Schulter wollt’ ich sie heben,
    als Kranz sie um das Haupt mir winden.
    Die Zahl meiner Schritte wollt’ ich ihm kundtun,
    wie ein Fürst wollte ich ihm nahen.« (31,35   –   37)
    Und Gott, der hier allein antworten kann, würdigt Hiob der Antwort. Gott antwortet nicht mit einer Theorie, sondern er greift ein in seiner Offenbarung. Und wie seltsam: Mit keinem Wort wird das Leiden Hiobs erwähnt, mit keinem Wort auf seine Selbstrechtfertigung eingegangen. Die Selbstrechtfertigung des Menschen, durch die der Mensch mit Berufung auf seine Taten und seine moralische Rechtschaffenheit sich selbst vor Gott ins Recht zu setzen sucht, erscheint als grundlegender Irrtum. Gerade durch des Menschen Rechthaberei wird Gottes Ratschluß und Walten verdunkelt. Gerade so verschließt sich der Mensch selber die Einsicht in Gottes

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