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Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Titel: Was bleibt: Kerngedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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Freunden gesagt und wieder gesagt. Kommen sie doch von der »Weisheit« her, jener Geistesströmung und Geisteshaltung, die besonders in Ägypten, Griechenland, Syrien und, seit Salomos Zeiten, auch in Israel verbreitet war und die man – es ist im Zusammenhang mit Leibniz nicht unwichtig – eine typische Aufklärungserscheinung genannt hat. Mit den Mitteln einer rationalen Theologie und Ethik versuchen Hiobs Freunde des unbegreiflichen Leidens Herr zu werden. Was für Leibniz vor allem der gütige Gott ist, der aufs beste die Welt in prästabilierter Harmonie geschaffen und eingerichtet hat, das ist für Eliphas, Bildad und Zophar der gerechte Gott, der aufs beste einem jeden vergilt, dem Gerechten Lohn, dem Ungerechten Strafe, so daß im Gang des Menschenlebens die Rechnung aufgeht und Gott gerechtfertigt dasteht. Eliphas: »Besinne dich doch: Wer verdarb je unschuldig, wo wurden Gerechte vernichtet ? Soviel ich gesehen: Die, die Unrecht pflügen und Unheil sähen, die ernten es auch« (4,7f.). Bildad: »Wird wohl Gott das Recht verdrehen und der Allmächtige die Gerechtigkeit ? … Siehe, Gott verwirft den Frommen nicht und hält nicht fest die Hand der Missetäter« (8,3.20). Zophar: »Kannst du die Tiefen Gottes ergründen und die Vollkommenheit des Mächtigen fassen?… Denn er, er kennt die argen Leute, er sieht den Frevel und achtet darauf« (11,7.11).
    Auf dieser theoretischen Grundlage setzen sich die Freunde mit Hiob auseinander, indem sie in ihrer klugen Disputierkunst alle Register ziehen: grundsätzliche Gedanken und belegende Beispiele, Verheißungen und Warnungen, Vorwürfe und Tröstungen, Appell an Hiobs Gerechtigkeit und Behauptung seiner Schuld und Sünde, Erinnerung an die einstige Frömmigkeit und Aussicht auf eine glücklichere Zukunft … Was aber soll diese ganze Gerechtigkeitslogik nützen einem Mann, auf dem das unergründliche Leid in einer Weise lastet, daß er den Tag seiner Geburt verwünscht (»Vernichtet sei der Tag, da ich geboren ward … Warum starb ich nicht bei meiner Geburt, verschied nicht, als ich aus dem Mutterschoß kam?« 3,3.11), der den Sinn seines Lebens nicht mehr einsieht (»Warum gibt er dem Elenden Licht, und Leben den Seelenbetrübten?« 3,20), der sich den Tod wünscht und gehören will zu denen,« die des Todes harren, und er kommt nicht, und die nach ihm mehr als nach Schätzen graben, die sich freuen würden bis zum Jubel, die frohlockten, fänden sie das Grab – dem Mann, dem sein Pfad verborgen und dem Gott jeden Ausweg sperrt« (3,21   –   23)? Ja, die Anfechtung ist übergroß, der Konflikt unüberwindbar, die Situation ausweglos! Hiob will Gottes Gerechtigkeit akzeptieren, doch sie erscheint ihm als Widerspruch. Er will glauben, ist aber verzweifelt. Er will zu Gott fliehen, muß ihn aber anklagen:
    »Wieviel sind meiner Vergehen und Sünden?
    Meine Schuld und Sünde laß mich wissen.
    Warum verbirgst du dein Angesicht
    und hältst mich für deinen Feind?« (13,23f.)
    Hin und her wird Hiob gerissen zwischen Resignation und Lästerung. Wie er auch darum ringt und sich quält, über die Theodizeefrage kommt er nicht hinweg. Keine rationale Theorie und Deduktion hilft ihm weiter. Unlösbar bleibt für ihn die Frage, wie sich Gottes Gerechtigkeit zur Verteilung von Glück und Unglück verhält und wie des Menschen Schicksal sinnvoll sein soll. Der Tod verhüllt das Rätsel, gibt aber erst recht keine Lösung:
    »Der eine stirbt inmitten seiner Kraft,
    in tiefer Ruhe und im Frieden;
    Der andere stirbt betrübten Herzens
    und hat nie das Glück gekostet.
    Zusammen betten sie sich in den Staub,
    und der Moder deckt sie beide«. (21,23.   25.   26)
    Die Antwort der Freunde auf Hiobs Klage aber sind neue Angriffe. Damit sie die Logik ihrer Theodizee, die mit den rationalen Kategorien von Lohn und Strafe arbeitet, aufrechterhalten können, scheuen sie auch vor Behauptungen einer persönlichen Schuld Hiobs nicht zurück: Wenn Hiob schon so schwer zu leiden hat, muß er auch schwer gefehlt haben. Auf diese Weise wird Hiob in die gefährliche Selbstverteidigung förmlich hineingetrieben. Das Unrecht im Unglück ist für ihn das Allerschlimmste. Selbst möchte er sich rechtfertigen vor Gott. Würde er mit seinem guten Gewissen und seiner sittlichen Rechtschaffenheit nicht als Redlicher gerechtfertigt dastehen? Ist da nicht – wir erinnern uns an Iwan – Empörung, Aufruhr erlaubt, geboten?
    »Noch heute ist Aufruhr meine Klage,
    und seine Hand liegt schwer

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