Was danach geschah
nur wissen, wie. Doch selbst wenn ich die Geschwindigkeit überschritten habe, dann nicht über einen längeren Zeitraum. Sie müssen sie mindestens auf einer Strecke von hundertfünfzig Metern messen. Ich werde morgen noch einmal herkommen und den Abstand von der Kurve bis zu der Stelle messen, an der sie ihr Warnlicht eingeschaltet haben. Das können keine hundertfünfzig Meter sein.
Als der Polizist seine Wagentür öffnet, halte ich bereits meine Versicherungs- und Zulassungspapiere in der Hand. Sarah beginnt zu weinen, weil ich die Musik ausgeschaltet habe, doch das könnte ein Vorteil sein. Vielleicht lässt er mich wegen Sarah und meines Arms in Ruhe. Ich bin mir nicht zu schade, Mitleid zu erheischen.
Im Gegenlicht des Scheinwerfers sehe ich im Spiegel nur die Silhouette des Polizisten mit der sich an seiner Hüfte abzeichnenden Waffe. Er ist klein, dünn und leicht o-beinig, nicht der große, kräftig gebaute Streifenpolizist, wie man ihn sich normalerweise vorstellt. Ich ermahne mich, nichts Belastendes zu sagen, und lasse das Seitenfenster herunter. Seltsamerweise bleibt der Polizist an der hinteren Tür stehen und versucht, sie zu öffnen.
»Hier bin ich«, sage ich, höflich wie immer zur Polizei. Irgendwie scheint er die hintere Tür mit der vorderen zu verwechseln.
Er streckt seinen Arm durch mein offenes Fenster und entriegelt die hintere Tür, steigt ein und knallt die Tür wieder zu.
»Was ist denn los?«, frage ich unschuldig. Er hat sicher einen guten Grund für sein Verhalten. Vielleicht hat er Angst, vom vorbeifahrenden Verkehr angefahren zu werden, wenn er neben meinem Wagen steht.
»Tun Sie, was ich Ihnen sage, Mrs Wolfson, dann passiert niemandem was.« Seine Stimme klingt jung und ruhig.
Woher kennt er meinen Namen?
Ich blicke in den Rückspiegel und sehe eine an meinen Kopf gehaltene Waffe. Der Junge, der diese Waffe hält, kann höchstens knapp über zwanzig sein, er hat helle Haut und dünne, fast weibliche Lippen, seine Wangen sind mit einem dünnen Flaum überzogen. Sein Kopf ist rasiert, und er trägt ein Armeehemd. Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen.
»Raus aus meinem Wagen!«, schreie ich, wütend über seine Dreistigkeit. Die Waffe und die Bedrohung, die von ihr ausgeht, habe ich noch nicht vollständig begriffen.
Ein wütendes Grinsen blitzt über sein Gesicht. Er zielt mit der Waffe auf Sarah, es folgen ein lauter Knall und ein orange leuchtender Blitz. Die Zeit wird so langsam wie ein durch Wasser sinkender Stein. Ich merke, dass ich schreie, höre aber nichts, weil meine Ohren betäubt sind.
»Sarah! Sarah!«
Ich versuche, nach ihr zu greifen, doch der Junge rammt mir die Waffe seitlich ins Gesicht und drückt meinen Kopf nach vorne. Die Hitze vom Lauf brennt auf meiner Wange, und der bittere Geruch von Schießpulver steigt mir in die Nase. Aus dem Augenwinkel sehe ich den zum nächsten Schuss gespannten Hahn. Die Waffe hat eine seltsame Form. Sie erinnert mich an eine, die ich in Filmen über den Zweiten Weltkrieg gesehen habe.
»Fahren Sie los!«, befiehlt er mir. »Sofort!«
Doch ich bin außer mir vor Panik und schreie immer noch »Sarah! Sarah!«. Ich drücke gegen die Waffe an, lasse den Lauf über meine Wange gleiten wie eine Rasierklinge. Jetzt kann ich Sarah sehen. Sie blutet nicht … und … ja, Gott sei dank … sie schreit noch! Der Schuss muss neben ihr im Sitz gelandet sein.
Wieder rammt mir der Junge die Waffe ins Gesicht. Der Schmerz dringt bis in meine Nebenhöhlen, meine Nase fängt an zu bluten.
»Losfahren!«, brüllt er. »Sofort!« Er kurbelt das Fenster nach unten und winkt dem Wagen hinter uns zu. Die Lichtsirene wird ausgeschaltet, und der Wagen fährt an uns vorbei. »Folgen Sie ihm.«
Ich versuche, den Schalthebel zu betätigen, doch ich zittere so heftig, dass der Stumpf meines rechten Arms vom Hebel rutscht. Der Junge greift nach vorn und schiebt ihn ruckartig in die Fahrposition. Der Wagen rollt los. An einem Stoppschild biegen wir nach links auf die Route 22. Bei jedem uns entgegenkommenden Fahrzeug drückt mir der Junge die Waffe gegen den Kopf, um mich daran zu hindern, auf uns aufmerksam zu machen. Ich halte hektisch nach einem Polizeifahrzeug oder einer Tankstelle Ausschau, an der ich hinausfahren kann, um Hilfe zu suchen. Sarah, erschreckt vom Schuss, schreit ununterbrochen aus voller Kehle.
»Sie soll aufhören!«, schreit mich der Junge an.
»Bitte, lass uns gehen«, versuche ich es auf die vernünftige Tour. »Du
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