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Was danach geschah

Was danach geschah

Titel: Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kimmel
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töten!
    »Hör zu«, flehe ich ihn an. »Es tut mir leid, was deiner Mutter und Patentante passiert ist. Ich werde alles tun, um es wiedergutzumachen. Versteh das doch, es war das Gericht, das sie ins Gefängnis gesteckt hat. Wir waren das nicht. Wir hatten keinen Einfluss …«
    Otto rammt mir die Waffe so heftig zwischen die Rippen, dass ich keine Luft mehr bekomme.
    Der Weg endet vor einem verfallenen einstöckigen Schlackensteingebäude, das wie ein Geschwür aus dem Boden ragt. Die Streifen aus schwarzem Schimmel und die abblätternde weiße Farbe an den fensterlosen Mauern lassen es wie die Haut eines Aussätzigen aussehen. Es wirkt wie ein verlassenes Industriegebäude und hier auf dem Land völlig fehl am Platz. Der widerliche Gestank nach Dung und Pilzen macht die Luft schwer, so dass ich Mühe habe zu atmen.
    Etwa zwanzig Meter weiter bleiben wir stehen. Tim lässt den Motor laufen, zieht seine Waffe und betritt das von den Scheinwerfern beleuchtete Gebäude. Otto wartet nervös im Wagen mit mir, bis Tim wieder an der Tür erscheint, ein »Alles klar«-Zeichen gibt und wieder im Haus verschwindet. Otto steigt aus und befiehlt mir, mit Sarah ebenfalls auszusteigen. Um Zeit zu schinden, tue ich so, als müsste ich meine Kostümjacke richten.
    Das ist vielleicht unsere einzige Chance.
    Otto wartet an der offenen Wagentür, den Blick zum Gebäude gerichtet, während der Motor immer noch läuft. Er könnte mich leicht davon abhalten, über die Lehne nach vorne zu klettern.
    Ich muss ihn vom Wagen weglocken.
    Vorsichtig lege ich Sarah in den Fußraum, wo sie sicher sein wird. Sie rührt sich und blickt zu mir nach oben. Unter der Deckenbeleuchtung spiegelt sich in ihren Augen ihre Liebe zu mir, als wüsste sie, was ich vorhabe und als dankte sie mir, dass ich für sie mein Leben riskiere. Sie versucht, so tapfer zu sein. Ich liebe sie von ganzem Herzen. Tränen treten mir in die Augen.
    Zitternd steige ich aus dem Wagen. Otto hat den Blick immer noch nicht vom Gebäude abgewendet. Er ist nur ein kleines Stück größer als ich und nicht annähernd so einschüchternd wie Tim. Jetzt weiß ich, was ich tun muss. Mit der linken Hand halte ich mich am Türrahmen fest und ramme Otto mit aller Kraft mein Knie zwischen seine Beine. Darauf war er nicht gefasst, und er sackt stöhnend zusammen.
    Es hat funktioniert!
    Ich schlage die Tür zu, springe auf den Fahrersitz und drücke mit dem Ellbogen beide Türverriegelungen nach unten. Als ich mit der linken Hand um das Lenkrad herumgreife, um den Rückwärtsgang einzulegen, kommt Tim so schnell aus dem Haus gerannt, dass er, als ich endlich aufs Gaspedal trete, bereits die Fahrertür erreicht hat und mit seiner Waffe direkt auf meinen Kopf zielt. Wieder verlangsamt sich die Zeit, schneidet die letzten Momente meines Lebens in kleine Abschnitte, die für den Rest der Ewigkeit gespeichert werden. Die Erinnerung wird von der Realität entkoppelt und umfasst alles, was zuvor passiert ist – die Hände, die mich gebadet haben, als ich aus dem Schoß meiner Mutter geboren wurde, und mich als kleines Kind umarmten; meinen Mann, meine Familie, meine Freunde, meine Tochter … die Momente und Erinnerungen, die Brek Abigail Cuttler geworden sind. Doch in dem Moment, in dem Tim abdrücken will, springt Otto vom Boden zu ihm auf. Der Schuss geht daneben und verhallt wirkungslos in der Dunkelheit.
    Plötzlich setzt das Leben wieder ein, und das in Echtzeit mitsamt dem notwendigen Adrenalin und dem Wunsch zu leben. Der Wagen röhrt rückwärts, auf mein Zuhause und die Sicherheit und auf all das zu, was wir erschaffen haben. Doch bei dieser Geschwindigkeit verliere ich auf dem schmalen Weg die Kontrolle über den Wagen und knalle gegen einen Baum. Sarah beginnt zu wimmern. Ich schlage den Schalthebel in den Vorwärtsgang und trete wieder aufs Gaspedal, lenke direkt auf Otto zu, der auf Knien auf uns zielt. Er gibt vier Schüsse ab. Der Wagen wird langsamer, reagiert kaum noch. Er hat einen der Vorderreifen durchschossen. Den Bruchteil einer Sekunde überlege ich auszuweichen, um ihn nicht zu überfahren, weil er mein Leben gerade zweimal verschont hat. Doch wir sind in der Zeit erstarrt, Otto Bowles und ich, gesteuert vom Instinkt und unserem Überlebenstrieb. Wieder drücke ich aufs Gaspedal, steuere direkt auf ihn zu, doch in letzter Sekunde lässt er sich zur Seite rollen, und ich lande in einem Misthaufen. Entschlossen, unsere Freiheit wiederzugewinnen, lege ich den

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