Was danach geschah
kannst meinen Wagen und meine Handtasche haben, egal, was du willst. Aber lass uns bitte einfach gehen.«
»Es geht nicht um Geld«, erwidert der Junge. »Fahren Sie weiter.« Er legt Sarah seine freie Hand über den Mund, was sie nur noch lauter schreien lässt.
»Du tust ihr weh!«, kreische ich, hysterisch, weil er mein Kind anfasst. »In der Babytasche auf dem Boden ist ein Fläschchen. Gib es ihr, aber lass sie los.«
Der Junge kramt nach der Flasche und hält sie in Sarahs Mund. Sie trinkt den Rest vom Nachmittag, schreit noch einmal auf, trinkt weiter und beruhigt sich schließlich.
Alles geht so schnell, dass ich keine Zeit zum Nachdenken habe. In Ardenheim biegen wir auf eine Seitenstraße ab, von dort geht es weiter über einen alten Holzabfuhrweg in die Berge. An dem Wagen, dem wir folgen, werden die Scheinwerfer ausgeschaltet, und der Junge befiehlt mir, auch meine auszuschalten. Im Dunkeln fahren wir in den Wald hinein und halten an. Der Fahrer des Wagens vor uns steigt aus. Im Mondlicht sehe ich, dass er ungefähr gleich alt ist wie der Junge hinter mir, aber größer und muskulöser. Auch sein Kopf ist rasiert, und auch er trägt ein Hemd in Tarnfarben. In einer Hand hält er eine Waffe, in der anderen eine Videokassette. Er öffnet meine Tür und zerrt mich am linken Arm aus dem Wagen. Der Junge hinten steigt mit Sarah aus und gibt sie mir, dann nimmt er dem größeren Jungen die Kassette ab, setzt sich hinters Lenkrad meines Wagens, legt die Videokassette auf den Beifahrersitz und setzt mit meinem Wagen rückwärts in einen Pinienhain, bis er hinter Ästen verschwunden und von dem schmalen Weg aus nicht mehr zu sehen ist. Kurz darauf kehrt er zu Fuß zurück. »Okay, Tim, weiter geht’s«, sagt er zu dem größeren Jungen.
Der Größere, der, wie ich jetzt weiß, Tim heißt, schubst mich zum anderen Wagen.
»Bitte«, flehe ich, »ihr habt meinen Wagen und mein Geld. Lasst uns doch einfach hier. Ich erzähle niemandem was davon.«
»Maul halten«, zischt Tim und rammt mir seine Waffe in den Rücken.
Langsam befürchte ich, dass sie mich entführen und vergewaltigen wollen.
»Bitte, bitte, tut das nicht«, bettle ich.
»Maul halten, habe ich gesagt!«, schreit Tim und schleudert mich gegen den Wagen, so dass Sarah, die ich vor mir halte, gegen das Metall knallt. Wieder beginnt sie zu weinen.
»Ich habe Ihnen gesagt, Mrs Wolfson, wenn Sie tun, was man Ihnen sagt, wird niemand verletzt«, sagt der Kleinere. »Jetzt steigen Sie ein.«
»Soll ich wieder fahren, Otto?«, fragt Tim.
»Ja.«
Jetzt weiß ich auch den Namen des Kleineren und dass er der Anführer der beiden ist.
Ich setze mich mit Sarah auf dem Schoß hinten in den Wagen und versuche, sie zu beruhigen. Otto setzt sich neben uns und drückt mir seine Waffe zwischen die Rippen. Tim rutscht hinters Steuer und fährt rückwärts den Holzabfuhrweg zurück. Er schaltet die Scheinwerfer erst wieder ein, als wir den Highway erreichen und nach Süden auf die Route 522 abbiegen, dann auf die Route 322 nach Osten Richtung Harrisburg. Sarah beruhigt sich, eingelullt vom Schaukeln des Wagens und weil ich sie fest an mich drücke. Ich versuche, mich daran zu erinnern, ob es an den nächsten Ausfahrten Polizeistationen gibt, und an das, was ich über Selbstverteidigung gehört habe. Mir fällt nur ein, dass man nie mit jemandem im Auto mitfahren sollte. Sarah fest an mich gedrückt, lege ich meine Hand auf den Türgriff, bereit, bei der erstbesten Gelegenheit aus dem Auto zu springen. Wäre ich allein, wäre ich aus dem fahrenden Auto gesprungen, aber dieses Risiko kann ich mit Sarah nicht eingehen.
Die Kilometer fliegen an uns vorbei. Otto und Tim reden weder miteinander noch mit mir. Sie verhalten sich diszipliniert und effizient, als hätten sie alles gut einstudiert. Als handele es sich nicht um einen Jux, den sich zwei aufsässige Teenager gerade erst ausgedacht haben. Sie riechen nicht nach Alkohol, und sie nuscheln nicht beim Sprechen. Otto sieht immer wieder nach hinten, ob wir verfolgt werden. Tim schaltet das Radio ein, lässt bei leiser Lautstärke einen Countrymusik-Sender laufen. Sarah schläft schließlich ein. Ich bin dankbar, dass sie keine Ahnung hat, was mit ihr passiert. Otto entspannt sich leicht und lockert seine starre Haltung, bleibt aber immer noch wachsam und drückt mir den Lauf seiner Waffe seitlich zwischen die Rippen, sobald wir langsamer fahren.
»Ich habe noch Geld auf der Bank«, flüstere ich ihm zu. »Eine
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