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Was danach geschah

Was danach geschah

Titel: Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kimmel
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hier, im Leben nach dem Tod, jeden Tag. Selbst mächtige Herrscher bekommen hier ihre gerechte Belohnung.«
    Die Sturmwolken verzogen sich und enthüllten vier Monde am Nachthimmel – einen Viertelmond, einen Halbmond, einen Dreiviertelmond und einen Vollmond, jeder vor der zur Jahreszeit passenden Sternenkonstellation, was den Himmel zu einem astronomischen Kauderwelsch verunstaltete. Die Luft kühlte ab, so dass ich einen von Nanas Schals enger um mich wickelte. Fledermäuse flatterten über den Bäumen und jagten Insekten hinterher. Aus der Ferne hörte ich die Rufe eines Uhus, die Schreie eines Ziegenmelkers und das Bellen eines einsamen Hundes – Laute, die ich als Kind an vielen Abenden auf dieser Veranda gehört hatte.
    »Otto Bowles kann für sich selbst im Gerichtssaal sprechen«, sagte ich. »Er hat seine Entscheidungen getroffen. Er braucht keinen Anwalt. Er braucht einen Henker.«
    Luas klopfte am Geländer die Asche aus seiner Pfeife. »Vielleicht«, sagte er. »Aber nicht Otto Bowles braucht unsere Hilfe im Gerichtssaal, sondern die Gerechtigkeit. Präsentatoren sorgen für den Abstand, mit dem für den Angeklagten und den Ankläger, für das Geschöpf und den Schöpfer, die Gerechtigkeit erst möglich wird. Anwälte sind die vielen Farben in dem Versprechen des Regenbogens, wenn er im Horizont der Ewigkeit verblasst.«
    »Ich bin die Anklägerin, Luas«, korrigierte ich ihn. »Eine Gerichtsverhandlung ist nicht mehr nötig, weil ich ihn bereits für schuldig befunden habe. Es ist Zeit, dass für Gerechtigkeit gesorgt wird.«

35
    Ich stehe mit Sarah auf dem Arm im Supermarkt an der Kasse und warte auf eine Verkäuferin. Sarah wird immer hektischer und schwerer, und ich immer ungeduldiger.
    »Hallo? Hallo!«
    »Komme gleich«, ruft eine Frau aus dem Lager.
    Die Verkäuferin schiebt sich durch die Schwingtüren, eine junge Frau Anfang zwanzig und übergewichtig mit zu viel Schminke im Gesicht und einem zu engen T-Shirt. Sie wirft ihr Haar zurück, entschuldigt sich und lächelt Sarah an, der sie mit zwei ihrer dicken Finger sanft am Händchen zieht.
    »Wie alt bist du denn?«, fragt sie.
    Ich halte meinen Kopf nah an Sarah wie eine Bauchrednerin. »Sag, ich bin zehn Monate alt.«
    »Was für ein großes Mädchen«, sagt die Verkäuferin. »Ich habe zwei kleine Jungs, eins und drei. Sie würden sich sicher freuen, ein hübsches, kleines Mädchen wie dich kennenzulernen. Wie heißt du, mein Schatz?«
    »Sarah«, antworte ich wieder für sie.
    »Hallo, Sarah. Das ist aber ein hübscher Name.«
    Die Verkäuferin lässt Sarahs Hand los und berührt ihre Nase. Sarah reagiert, indem sie ebenfalls ihre Hand ausstreckt und nach der Nase der Verkäuferin greift. Wir lachen. Ich drücke Sarah an mich und gebe ihr einen Kuss auf die Wange. Die Angestellte zieht die Milch zur Kasse.
    »War’s das für heute?«
    »Das war’s.«
    »Tüte?«
    »Ja, bitte.«
    Ich bezahle. Im Wagen lasse ich die Kassette dort weiterlaufen, wo wir aufgehört haben: »Es ist fast zwanzig nach sechs, sagt Teddybär, Mama kommt gleich nach Hause, ich freue mich sehr. Heißen Tee und Bienenhonig, für Mama und ihr Baby …« Sarah lässt sich, ohne Anstalten zu machen, in ihren Kindersitz schnallen.
    Es ist ein kühler Herbstabend und um halb sieben bereits dunkel. Ein paar andere Autos kommen uns entgegen, ansonsten ist die Straße frei, bis im Rückspiegel ein einzelner Wagen auftaucht und uns verfolgt. Nach einer Kurve geht es leicht bergab, wo ich an Geschwindigkeit zulege, und wir kommen an einen langen verlassenen Straßenabschnitt, der von Maisfeldern und Wiesen gesäumt wird. Das Fernlicht des Wagens hinter uns blitzt auf, und ein rotes Blinklicht blendet meine Augen, das von unten an der Windschutzscheibe kommt. Es muss sich um ein Zivilfahrzeug der Polizei handeln. Bo hat mich vor den Radarfallen auf diesem Straßenabschnitt gewarnt, so dass ich darauf geachtet habe, unterhalb der Geschwindigkeitsbegrenzung zu bleiben. Mit meinem teuren Jurastudium im Rücken, plane ich bereits meine Verteidigung, als ich auf den Standstreifen fahre. Die Polizisten konnten meine Geschwindigkeit nicht mit einem Radargerät gemessen haben, während sie mir folgten, daher würden sie sich auf ihren eigenen Tachometer berufen müssen. Ich werde bei der Verhandlung also eine Kopie der Tachometerzulassung verlangen. Diese Zulassungen sind für gewöhnlich abgelaufen, womit es ein Leichtes für mich sein wird, einem Strafzettel zu entkommen. Man muss

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