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Was danach geschah

Was danach geschah

Titel: Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kimmel
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für ihn geplant habe.
    Harlan Hurley springt in blinder Panik von seinem Stuhl auf, glaubt, es wäre seine Seele, die vom Sturm gejagt wird. Vielleicht ist dies auch so, denn in dem Augenblick, in dem er die Tür des Klosters erreicht, wird er von einem Blitz zu Staub verwandelt. Zurück bleibt nur der Umriss seiner ins Holz gebrannten Silhouette. Barbara Rabun, Albrecht Bosch und Katharina Schrieberg-Wolfson blicken ihm erschreckt hinterher, beschließen aber, ihm durch dieselbe Tür hindurch in dem Glauben zu folgen, der Sturm wäre jetzt zufriedengestellt. Doch auch sie werden vom Blitz getroffen und lösen sich auf.
    Das Wasser steht mir mittlerweile bis zu den Knien, und erst jetzt entdecke ich Bo und meinen Großvater Cuttler in einer Ecke des Klosters. Sie achten nicht auf das steigende Wasser, starren nur auf den Computer zwischen sich. Großvater Cuttler versteht nichts von Computern und ist verblüfft wegen des jetzt leeren Bildschirms. Gemeinsam drücken sie verzweifelt auf die Tasten, um den Rechner wieder zu starten.
    Nachdem die Spurensicherung den Tatort fotografiert hatte, brachte der Gerichtsmediziner Sarah und mich ins Leichenschauhaus. Bo rief Karen an und bat sie, ihn zur Identifizierung unserer Leichen zu begleiten. Sie war die logische Wahl. Obwohl Bo Jude war, hatte Karen unsere Tochter Sarah erst sechs Monate zuvor über einem wunderschönen silbernen Becken in der Old Swedes’ Church getauft. Im Vertrauen darauf, dass Christus an jenem herrlichen Morgen Sarah als sein Eigen beanspruchte, hatte Karen sie hochgehoben, um der Gemeinde das Wunder von Glaube und Wasser zu zeigen. Anschließend war sie, selbst von Mutterstolz erfüllt, weil Bo und ich sie zu Sarahs Taufpatin auserkoren hatten, mit ihr im Arm die Kanzel hinaufgestiegen, um die Predigt zu halten. Sarah hatte mucksmäuschenstill gelauscht, als hätte sie sich danach gesehnt zu verstehen.
    Karen betete inständig, Christus möge bei ihr und Bo sein, als der Leichenbeschauer das Tuch zurückzog. Sie betete, er möge das Kind, das er erst vor kurzem angenommen hatte, und die Frau, Mutter und Freundin, die ihnen genommen worden war, in sein Reich aufnehmen. Sie salbte unsere Köpfe mit heiligem Öl und betete für unsere Seelen.
    Doch Christus kam nicht, zumindest nicht in der Form, die Karen erkennen konnte. »Wo bist du?«, schrie sie gequält. »Verdammt noch mal, wo bist du?«
    Ein reißender Strom füllt das Kloster mit Wasser und verschluckt Cudi Daği vollständig. Bo, mein Großvater und meine Eltern fliehen, doch als Bo die einarmige Christusfigur im Wasser schaukeln sieht, dreht er sich zu Karen um.
    »Da ist dein Retter, Priesterin!«, lacht er wie ein Wahnsinniger. »Die Gerechtigkeit hat ihn ans Kreuz genagelt, und jetzt befreit ihn die Gerechtigkeit wieder!«
    Planschend jagt Karen hinter dem zerbrochenen Christus her, wie wir es damals im Little Juniata River mit den Krebsen getan hatten. Sie springt nach vorne, doch er entwischt ihr zwischen den Fingern und sinkt unter Wasser.
    »Ich kann ihn nicht finden!«, ruft sie. »Ich kann ihn nicht finden!« Noch zweimal sieht sie ihn, und noch zweimal entwischt er ihr zwischen den Fingern, während das Wasser steigt und Christus hinaus in den Sturm treibt.
    Karen ist der letzte Mönch, der das Kloster verlässt. Auf ihrem Weg nach draußen nimmt sie sowohl die weiße Stola, die ich ihr gab, als auch ihr geschwungenes Luftwaffenabzeichen ab. Beides wirft sie auf die verkohlten Reste von Barbara Rabuns Rechner ins noch immer brennende Feuer.
    Karen sieht nicht mehr, wie das steigende Wasser die Flammen löscht und die Stola und das Abzeichen unversehrt aus dem Kamin schwemmt. Einen Moment lang treiben sie gemeinsam im Wasser wie eine Taube und ein Rabe auf der Suche nach trockenem Land. Die Stola erblickt als Erste die langen Arme der Menora, gefolgt vom Abzeichen. Gemeinsam klammern sie sich an die Arme, bis das Wasser auch die Menora erfasst. In letzter Sekunde, als der Leuchter in einem Strudel verschwindet, fliehen die Stola und das Abzeichen weiter, suchen im Wasser nach einem Zeichen des Mitgefühls.
    Das Wasser steht uns mittlerweile bis zur Brust. Elymas ergreift meine Hand.
    »Wir müssen die Arche erreichen, bevor es zu spät ist!«, ruft er.
    Plötzlich stehen Elymas und ich auf Deck einer großen, hölzernen Arche. Um uns herum herrscht beinahe völlige Dunkelheit. Der Sturm wirft das Boot auf den hohen Wellen hin und her, doch Elymas besteht darauf, dass wir stehen

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