Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)
ist«, räumte Marina ein, »aber du hast immerhin das Glück gehabt, geliebt zu haben und geliebt worden zu sein. Ich hingegen weiß nicht mal, was Liebe ist.«
Diese Worte gingen ihr tagelang durch den Kopf und halfen ihr tatsächlich ein wenig aus dem Zustand tiefer Verzweiflung, in den sie verfallen war. Zurück blieb nur die Traurigkeit, die ihre Freundin sie mit ihren Einfällen hin und wieder vergessen ließ. Eines Abends schlenderten sie am Ufer der Genfer Sees entlang und schleckten ein Eis, als Marina sie plötzlich nach Aldo fragte. Francesca dachte einen Moment nach, dann sagte sie: »Ich befürchte, nach Kamal al-Saud werde mich nie wieder in einen anderen Mann verlieben können.«
»Und was wäre, wenn Aldo es nach deiner Rückkehr nach Córdoba noch mal versuchen würde?«
»Nicht mal wenn Aldo verwitwet wäre, würde ich zu ihm zurückkehren«, antwortete Francesca. »Und das sage ich nicht, weil ich nachtragend bin, sondern einfach nur, weil mein Herz Kamal gehört. Ich würde jeden anderen Mann betrügen, wenn ich eine Beziehung mit ihm anfangen würde.«
Drei Wochen später war Francesca noch immer in Genf und hatte trotz der Bitten ihrer Mutter wenig Lust, nach Córdoba zurückzukehren. Aber Marinas Urlaub ging zu Ende, und es hatte keinen Sinn, ihren Abflug noch länger hinauszuschieben.
***
Letzten Endes war es nicht so schwer gewesen, ihr Leben in Córdoba wieder aufzunehmen, wie sie erwartet hatte. Die Zuwendung ihrer Freunde, insbesondere aber ihrer Mutter und ihres Onkels Fredo, war Balsam für ihre verwundete Seele gewesen. Sie hatte nur Fredo von der Entführung erzählt, und sie waren übereingekommen, Antonina gegenüber nichts davon zu erwähnen. Sofía war enttäuscht, als sie hörte, dass aus der Romanze zwischen ihrer Freundin und dem saudischen Prinzen nichts geworden war, musste aber zugeben, dass sie froh war, sie wieder bei sich zu haben.
Francesca zog nicht wieder in die Villa der Martínez Olazábals. Sie hätte es auch nicht getan, wenn Aldo nicht dort gewohnt hätte. Für sie war diese Etappe ihres Lebens vorbei. Es war an der Zeit, auf eigenen Füßen zu stehen, und sie hatte begonnen, sich nach einer Wohnung umzusehen.
»Ich bin dagegen, dass du zur Miete wohnst«, sagte Fredo. »Das ist aus dem Fenster geworfenes Geld. Du weißt ja, dass du jederzeit bei mir willkommen bist und so lange bleiben kannst, wie du möchtest. Außerdem erbst du die Wohnung sowieso, wenn ich mal sterbe. Deiner Mutter wird der Gedanke überhaupt nicht gefallen, dass du ausziehst und alleine wohnst. Sie wird entsetzt sein.«
»Mit diesen Argumenten kannst du mich nicht überzeugen«, erklärte Francesca. »Ich habe schon lange keine Angst mehr vor meiner Mutter. Ich bleibe bei dir wohnen, bis ich etwas Vernünftiges gefunden habe. Du kannst mich nicht umstimmen, Onkel Fredo. Demnächst ziehe ich aus.«
»Wenn du so fest entschlossen bist«, hakte Fredo nach, »warum kaufst du dir dann keine Wohnung?«
»Weil ich dafür nicht genug Geld habe.«
»Ich gebe es dir.«
»Das kann ich nicht annehmen.«
»Warum kannst du das nicht annehmen?«, regte sich Fredo auf. »Ich gebe dir das Geld, weil du für mich der wichtigste Mensch auf der Welt bist. Ich will immer nur das Beste für dich, Francesca. Nimm mir diese Freude nicht.«
»In Ordnung«, gab sie schließlich nach und hakte sich bei ihrem Onkel unter.
Francesca bemühte sich, mit offenen Augen durchs Leben zu gehen. Oft sagte sie sich, dass es dumm war, nur in der Vergangenheit zu leben, und fand für kurze Zeit die Energie, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Doch bei jeder Kleinigkeit kamen die Erinnerungen wieder hoch, und sie versank aufs Neue in ihrem Kummer. Sie fand es eine tröstliche Vorstellung, dass die Wunde mit der Zeit heilen würde, doch die Zeit verging langsam, eine Minute erschien ihr wie Stunden, und jede einzelne Sekunde dachte sie nur an ihn. Manchmal wich der Schmerz einer ohnmächtigen Wut, und sie hätte Kamal geohrfeigt, wenn er vor ihr gestanden hätte. Für sie gab es nur eine Erklärung dafür, dass er sie verlassen hatte: Es war der Preis, den er für den Thron von Saudi-Arabien bezahlte. Sie brauchte sich nichts vorzumachen, sie hatte es immer gewusst: Kamal liebte sein Volk mehr als alles andere. Doch wenn die Wut verrauchte, brachte sie die Erinnerung an seine heißen Küsse und seine leidenschaftlichen, fordernden Hände fast um den Verstand, und sie fand keinen Schlaf.
Francesca mochte ihre
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