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Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Titel: Was deine Augen sagen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florencia Bonelli
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erlaubte. Aber aus dem Schlafzimmer ihres Onkels war kein Ton zu hören. Es klingelte erneut. Francesca stand auf, schlüpfte in die Pantoffeln, warf den Morgenmantel über und ging zur Gegensprechanlage in der Küche.
    »Wer ist da?«, fragte sie ungehalten.
    »Francesca, ich bin’s, Aldo.«
    Ihr Herz machte einen Satz, ihr Mund wurde trocken, und sie brachte keinen Ton heraus.
    »Mach auf, Francesca«, flehte Aldo. »Ich muss mit dir reden. Ich habe dir etwas Wichtiges zu sagen.«
    »Nein.«
    »Mach auf, ich will dir sagen, dass ich dich liebe.«
    »Nein«, wiederholte sie und legte den Hörer auf.
    Es klingelte Sturm. Onkel Fredo erschien in der Küche.
    »Was ist los?«, fragte er verschlafen. »Wer ist das?«
    »Aldo Martínez Olazábal. Er und ich haben …«
    »Ich weiß alles. Deine Mutter hat es mir erzählt.« Fredo nahm den Hörer und sagte kurz angebunden: »Ich komme runter.«

    Esteban Martínez Olazábal parkte seinen Wagen einige Meter hinter dem von Aldo und erkannte sofort das Haus seines guten Freundes Alfredo Visconti.
    »Was zum Teufel will er hier?«, murmelte er und beugte sich übers Lenkrad, um besser sehen zu können, was sein Sohn machte. Dann stieg er aus und trat vorsichtig näher.
    »Francesca, ich bin’s, Aldo. Mach auf, Francesca. Ich muss mit dir reden. Ich habe dir etwas Wichtiges zu sagen. Mach auf. Ich will dir sagen, dass ich dich liebe.«
    Esteban war wie vom Donner gerührt. Die Szene schien ihm höhnisch ins Gesicht zu lachen und zu sagen: Die Geschichte wiederholt sich wie ein krankhafter Kreislauf. Zuerst er mit Rosalía und jetzt sein Ältester mit der Tochter der Köchin. Hilflos sah er den Kummer seines geliebten Aldo, seines Lieblingssohnes, der nun wie in einem grausamen biblischen Urteil teuer für die Sünden seines Vaters bezahlte.
    »Aldo, mein Junge«, sagte er leise, um ihn nicht zu erschrecken, Aldo zuckte trotzdem zusammen und sah ihn entsetzt an.
    »Was machen Sie hier? Gehen Sie! Lassen Sie mich in Ruhe!«
    »Komm schon, Junge«, beharrte Esteban mit einer Sanftheit, die er gegenüber seinen Kindern noch nie an den Tag gelegt hatte. »Du hast hier nichts verloren. Lass dieses Mädchen in Ruhe.«
    »Nein! Niemals«, entgegnete Aldo mit einer Wut, die Esteban nicht von ihm kannte. »Francesca gehört zu mir, und ich werde nicht von ihr lassen. Verstehen Sie? Niemals!«
    Die Tür ging auf, und Alfredo Visconti erschien. Als er Esteban sah, war seine Miene nicht länger angriffslustig, sondern verdutzt.
    »Was machst du denn hier, Esteban?«
    »Ich bin meinem Sohn gefolgt, der Hals über Kopf seine eigene Hochzeitsfeier verlassen hat.«
    »Bring ihn zurück«, sagte Fredo schroff. »Ich will nicht, dass er meine Nichte belästigt. Sie hat genug durch deinen verantwortungslosen Sohn gelitten.«
    »Ich muss sie sehen!«, beharrte Aldo.
    »Sie will dich nicht sehen, Aldo«, stellte Fredo klar.
    »Aber ich muss mit ihr reden«, sagte Aldo noch einmal, nun schon kleinlauter.
    »Komm, Aldo«, sagte Esteban und fasste ihn bei den Schultern. »Gehen wir.«
    Stunden später, als das Fest zu Ende war, lag Esteban auf dem Diwan in seinem Arbeitszimmer, ein Glas Whisky in der Hand. Er sah müde aus, aber sein Kopf arbeitete auf Hochtouren.

5. Kapitel
    Aldo und Dolores verbrachten die Nacht im ›Sussex‹, dem Luxushotel der Stadt. Die Familie Martínez Olazábal schlief nach dem Fest noch, während das Personal unter Aufsicht von Janet den verwüsteten Salon aufräumte. Im Obergeschoss öffnete sich eine Tür. Es war Don Esteban. Man sah von weitem, dass er die Nacht auf dem Diwan im Arbeitszimmer verbracht hatte.
    Esteban brauchte ein Bad. Sein Jackett war zerknittert, sein Rücken schmerzte, und er hatte einen üblen Geschmack im Mund. Danach zog er bequeme Kleidung an und ging nach unten, um zu frühstücken. Rosalía erwartete ihn im Speisezimmer mit Kaffee, wie er ihn mochte, und seinen Lieblingsapfeltörtchen. Sie wünschte ihm einen guten Morgen, ohne ihn anzusehen, und verließ den Raum, nachdem sie ihn bedient hatte. Sie musste die Fäuste ballen, um ihn nicht zu umarmen und zu küssen. Aber die übrigen Hausangestellten waren allgegenwärtig, sie durfte kein Risiko eingehen. Und wenn sie es doch endlich einmal riskierte? Wenn sie nicht mehr länger feige war?
    Das traurige Gesicht der Frau, die er liebte, traf Esteban wie ein Schlag in die Magengrube. Nachdem er die Maske des Egoismus abgelegt hatte, die ihn über Jahre blind gemacht hatte, wurde ihm

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