Was deine Blicke mir versprechen
Im Gegensatz zu Schwester Eustice, die in die schlichte Kluft einer Nonne gekleidet war, trag das Mädchen die Hosen eines Stallburschen und ein übergroßes Oberteil, dessen Ärmel hochgeschoben waren, um die Arme frei zu lassen. Diese Kleidung pflegte das Mädchen gewöhnlich zu tragen, wenn sie in den Ställen arbeitete. Rosamunde fand das praktischer als ein Kleid, und Adela, entgegen ihrer eigenen Überzeugung, hatte keine Einwände gegen dieses unpassende Äußere erhoben. Sie hatte das Mädchen immer sehr gern gehabt, und im Übrigen war auch niemand von Bedeutung in der Nähe, der es hätte missbilligen können. Jedoch hatte sie dem Kind bereits erklärt, dass sie die Kleidung eines Stallburschen - zusammen mit vielen anderen Dingen - für immer würde ablegen müssen, wenn sie den Schleier nahm und Nonne würde.
Als Rosamunde erneut ihre Hände in das Pferd zwängte und auf diese Weise versuchte, das Fohlen zu greifen und auf die Welt zu holen, verzog sich Adelas Gesicht zu einer Maske.
»Dank sei der Güte unseres Herrn, dass Euer Vater, der König, nicht hier ist, um dieses mit ansehen zu müssen«, murmelte Adela und bemühte sich, leise zu sprechen. Sie wollte das Pferd nicht wieder erschrecken.
»Was mit ansehen zu müssen?«
Der tiefe Bariton ließ die drei Frauen erstarren. Mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen schaute Eustice an der Äbtissin vorbei zur Stalltür. Ihr Gesichtsausdruck sagte Adela, dass sie die Stimme richtig erkannt hatte. Es schien, als sei der Herr im Himmel heute nicht sonderlich gütig gestimmt. Der König war gekommen, um zu sehen, wie sich seine Tochter unter ihrer Obhut entwickelt hatte.
Adela straffte die Schultern und wandte sich resigniert an Henry, wobei sie von den ihn begleitenden Männern kaum Notiz nahm. »König Henry! Willkommen!«, begrüßte sie ihn mit gezwungenem Lächeln.
Der Monarch nickte der Äbtissin zu, seine Aufmerksamkeit galt jedoch seiner Tochter. Sie sah ihn über die Schulter hinweg an, und die Anspannung in ihrem Gesicht wich einem herzlichen Lächeln.
»Papa!«
Henry wollte das Lächeln erwidern, hielt dann jedoch inne und betrachtete sie prüfend. »Was, zum Teufel, machst du hier im Stall, Mädchen? Und dazu noch angezogen wie ein Junge!« Er starrte Adela an. »Zahle ich Euch nicht genug, um einen Stallburschen anzuheuern? Wollt Ihr mich verärgern, indem Ihr meine Tochter mit den Tieren arbeiten lasst?«
»Oh, Papa.« Rosamunde lachte, völlig unbeeindruckt vom offensichtlichen Zorn ihres Vater. »Ihr wisst, dass es meine eigene Entscheidung ist. Wir müssen alle eine Arbeit übernehmen, und ich bin lieber im Stall, anstatt die Böden des Klosters zu putzen.« Ihre letzten Worte waren nur mehr ein leises Gemurmel. Sie hatte sich wieder ihrer Arbeit zugewandt.
Henrys Neugier ließ ihn näher treten. »Was machst du da?«
Mit angespanntem Gesichtsausdruck schaute Rosamunde zu ihm auf. »Diese Stute liegt jetzt seit über einem Tag in Wehen. Sie wird immer schwächer. Ich fürchte, sie wird sterben, wenn wir ihr nicht helfen, aber ich kann das Fohlen nicht herausbekommen.«
Henry beobachtete entsetzt, wie ihre Arme bis zu den Ellenbogen in der Stute verschwanden. »Warum ... du ... Was ... du ...«
Über sein hilfloses Gestammel seufzend, erklärte ihm Rosamunde geduldig die Situation: »Das Fohlen liegt falsch herum. Ich versuche, es zu drehen, aber ich kann den Kopf nicht finden.«
Er zog die Augenbrauen hoch. »Aber tut es der Stute denn nicht weh, dass du so in ihr herumwühlst?«
»Weiß ich nicht«, entgegnete sie pragmatisch und griff noch weiter hinein. »Wenn nicht irgendetwas passiert, werden Mutter und Fohlen ganz sicher sterben.«
»Aye ... nun ...« Henry runzelte die Stirn hinter ihrem Rücken und meinte dann: »Überlass das der ... äh ...« Er sah sich nach der Nonne um, die sich jetzt Rosamunde und dem Pferd näherte.
»Schwester Eustice«, half Lady Adela aus.
»Aye. Schwester Eustice. Überlass das der Schwester, sich darum zu kümmern, Tochter! Ich habe nicht viel Zeit und...«
»O nein, das kann ich nicht machen, Papa. Schwester Eustice würde sich dabei die Ärmel ihres Gewandes ruinieren. Es dauert sicher nicht mehr lange, und dann ...«
»Es interessiert mich nicht im Geringsten!«, fluchte Henry und war bereits im Begriff, sie fortzuzerren, wenn es gar nicht anders ginge, aber der flehende Blick seiner Tochter ließ ihn innehalten. Sie ähnelte ihrer Mutter so sehr! Es war Henry unmöglich gewesen,
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