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Was der Hund sah

Was der Hund sah

Titel: Was der Hund sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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Betty. Ein paar Gräber weiter lag Kidders Morris, der Patriarch der Familie, mit seiner Frau. Und einige Schritte entfernt war das Grab von Irving Rosenbloom, der auf Long Island mit Kunststoffen ein Vermögen verdient hatte. Auch die Popeils lagen hier, einer neben dem anderen: Rons Großvater Isadore, der hinterhältig war wie eine Schlange, und dessen Frau Mary; S. J., der seinem Sohn die kalte Schulter zeigte, und Rons Bruder Jerry, der früh starb. Von ihnen stammt Ron ab, doch er gehörte nicht zu ihnen. Langsam ging Arnold an den Grabsteinen vorüber, während der Regen auf seine Baseballmütze prasselte. Dann sagte er: »Ich wette, dass Sie Ronnie hier nie finden werden.«
    Eines Samstagabends kam Ron Popeil in die Zentrale des Fernseh-Shopping-Kanals QVC, eines riesigen, glitzernden Komplexes in den bewaldeten Vororten von Philadelphia. Ron ist Stammgast bei QVC. Hier strahlt er nicht nur seine Werbefilme aus, sondern er tritt auch regelmäßig live auf. Für den folgenden Sonntag hatte er bei QVC acht Stunden Livesendung gebucht, beginnend mit einer speziellen Ronco- Stunde zwischen Mitternacht und ein Uhr morgens. Ron reiste in Begleitung seiner Tochter Shannon, die mit dem Verkauf des Ronco Lebensmitteltrockners auf Verbrauchermessen ihr Handwerk gelernt hatte. Die beiden sollten sich über die gebuchten Stunden abwechseln. Verkauft werden sollte der Digital Jog Dial, eine schwarze Sonderausgabe des Showtime mit Digitaluhr, die nur an diesem Tag und zu einem Vorzugspreis von 129,72 Dollar erhältlich war.
    Im Studio baute Ron achtzehn Grillöfen auf fünf holzvertäfelten Arbeitstischen auf. Aus Los Angeles hatte er in Dutzenden Styroporcontainern das Fleisch einfliegen lassen, das er im Laufe der Sendung verarbeiten wollte: acht 15 Pfund schwere Truthähne, 72 Hamburger, acht Lammkeulen, acht Enten, mehr als dreißig Hähnchen, zwei Dutzend Wachteln und so weiter. Dazu kamen verschiedene Beilagen, Forellen und Würste, die er an diesem Morgen in drei Supermärkten in Philadelphia eingekauft hatte. Die Tagesvorgabe waren 37 000 Geräte oder ein Umsatz von 4,5 Millionen Dollar in 24 Stunden. Es war ein langer Tag, selbst gemessen an den Standards des Senders.
    Ron schien angespannt. Er schnauzte die Produzenten und Kameraleute an, die im Raum herumschwirrten. Er fummelte an den vorbereiteten Beilagen herum, mit denen er das Fleisch präsentieren wollte, wenn er es frisch aus dem Ofen holte. »Das geht so nicht«, motzte er und starrte auf einen Teller mit Kartoffelbrei und Soße. »Ich brauche mehr Soße.« Er hinkte ein wenig. »Der Druck ist riesengroß«, sagte er müde. »›Wie ist Rons Auftritt? Ist er immer noch der Beste?‹«
    Wenige Minuten vor Sendebeginn schlüpfte Ron in die Garderobe neben dem Studio und sprühte sich GLH ins Haar. Ein paar Sprühstöße, dann heftiges Bürsten. »Wo ist Gott?«, rief sein Assistent Rick Domeier und suchte theatralisch nach dem Gaststar. »Ist Gott hinter der Bühne?« Ron betrat das Studio in einem blendend weißen Kochkittel, und es ging los. Ron schnitt eine Lammkeule an. Er spielte mit der Uhr des neuen digitalen Showtime. Er bewunderte die knusprige, leckere Haut der Ente. Er erörterte die Vorteile der neuen Warmhaltevorrichtung, mit der das Gerät nach Ende der Garzeit noch bis zu vier Stunden bei niedriger Hitze weiterrotierte, um den Saft in Bewegung zu halten. Gleichzeitig schäkerte er vollkommen überzeugend mit den Zuschauern, die im Studio anriefen. Man konnte meinen, er stünde wieder vor dem Woolworth an der Ecke von State und Washington Street und hypnotisiere Sekretärinnen.
    Im Green Room standen zwei Computerbildschirme. Eine Grafik auf dem ersten zeigte an, wie viele Anrufe pro Minute hereinkamen. Auf dem zweiten war ein Balken zu sehen, der den bisherigen Verkauf darstellte. Während Ron sich langsam warm lief, verließen die Mitarbeiter einer nach dem anderen das Studio und versammelten sich um die Computerbildschirme. Zuerst Shannon Popeil. Es war 0:40 Uhr. Im Studio hackte Ron mit einem Dial-O-Matic seines Vaters Zwiebeln. Sie sah auf den zweiten Bildschirm und stieß einen leisen Schrei aus. Nach vierzig Minuten hatte Ron bereits 700 000 Dollar erreicht.
    Ein Manager des Senders kam herein. Ron stürmte weiter und war um 0:48 Uhr bei 837 650 Dollar. »Unmöglich!«, rief der Mann von QVC. »Unglaublich!« Zwei Produzenten traten hinzu. Einer zeigte auf den ersten Monitor, der die Zahl der Anrufe anzeigte. »Wie das springt!«, rief

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