Was der Hund sah
in der Schule Statistikunterricht bei ihm genommen hätten, dann wären Sie heute vermutlich Statistiker. »Mein Lieblingsautor? Gibbon«, erzählte er mir voller Überschwang, als wir uns zum ersten Mal trafen. Augenblicke zuvor hatte er sich noch über Natriumlösungen ausgelassen. »Ich kämpfe mich gerade durch die Geschichte des Byzantinischen Reichs. Verdammt! Gegen das Byzantinische Reich ist alles andere ein Klacks! Es ist unmöglich. Dauernd bringt ein Kaiser den anderen um, alle haben fünf Frauen und drei Männer. Sehr byzantinisch.« Moskowitz hat sein Unternehmen in den siebziger Jahren gegründet, und einer seiner ersten Kunden war Pepsi. Gerade war der künstliche Süßstoff Aspartam auf den Markt gekommen, und Moskowitz sollte für Pepsi ermitteln, wie viel Süßstoff für eine Dose Diät-Pepsi nötig war. Bei Pepsi wusste man, dass alles unter 8 Prozent Süße nicht süß genug war, und alles über 12 Prozent zu süß. Also tat Moskowitz das einzig logische. Er mischte Pepsi-Proben in jeder erdenklichen Süße - 8 Prozent, 8,25 Prozent, 8,5 Prozent, und so weiter, bis 12 Prozent - und ließ Hunderte Personen einen Geschmackstest machen, um zu ermitteln, welche Mischung am besten ankam. Doch das Ergebnis war vollkommen unklar, es ergab sich keinerlei Muster, und als Moskowitz eines Tages in einen Diner zum Essen ging, wurde ihm klar, warum das so war. Er hatte die falsche Frage gestellt. Es gab nicht die eine perfekte Diät-Cola. Er hätte nach den perfekten Diät-Colas suchen sollen.
Es sollte viel Zeit vergehen, ehe die Nahrungsmittelwelt Howard Moskowitz verstand. Er klopfte an alle Türen und versuchte seine Idee von der Vielfalt der Geschmäcker zu verkaufen, doch niemand hörte ihm zu. Er hielt Vorträge auf Konferenzen der verschiedenen Nahrungsmittelbranchen, doch das Publikum zuckte nur mit den Achseln. Doch er konnte an nichts anderes mehr denken. »Es gibt ein jüdisches Sprichwort«, sagt er. »Kennen Sie das? Für einen Wurm im Meerrettich besteht die Welt aus Meerrettich.« Im Jahr 1986 bekam er schließlich einen Anruf von der Campbell’s Soup Company. Campbell stellte auch Nudelsoßen her und brachte seine Marke Prego gegen den Konkurrenten Ragu in Stellung. Prego war ein wenig sämiger als Ragu und enthielt Tomatenstückchen, während Ragu lediglich aus Püree hergestellt wurde. Bei Campbell’s sprach man auch davon, dass Prego besser an der Nudel haftete. Trotzdem stockte der Verkauf von Prego, und Campbell’s suchte händeringend nach neuen Ideen.
Nahrungsmittelhersteller würden in einer solchen Situation in der Regel Fokusgruppen von Nudelessern nach ihren Wünschen befragen. Doch Moskowitz glaubt nicht, dass Verbraucher wissen, was sie wollen, wenn es das, was sie wollen, noch gar nicht gibt. »Der Geist weiß nicht, was die Zunge will«, sagt Moskowitz gern. Also entwickelte er in Zusammenarbeit mit den Campbell-Küchen 45 verschiedene Nudelsoßen, die sich in jeder nur erdenklichen Hinsicht voneinander unterschieden: der Würzigkeit, der Süße, der Säure, der Salzigkeit, der Sämigkeit, des Aromas, der Textur, der Qualität der Zutaten, und so weiter. Jede der Varianten ließ er von ausgebildeten Lebensmittelkostern im Detail analysieren. Dann veranstaltete er in verschiedenen Städten - New York, Chicago, Los Angeles und Jacksonville - mit diesen Prototypen Testessen. Gruppen von 25 Testpersonen sollten über einen Zeitraum von zwei Stunden zwischen acht und zehn Schüsselchen mit Nudelsoßen probieren und auf einer Skala von eins bis hundert bewerten. Bei der Auswertung erkannte Moskowitz, dass jeder der Teilnehmer eine leicht unterschiedliche Vorstellung davon hatte, wie eine gute Nudelsoße zu schmecken hatte. Doch bei einer sorgfältigen Analyse der Daten kristallisierten sich Muster heraus. Moskowitz stellte fest, dass sich die Geschmäcker in drei große Gruppen einteilen ließen: einfach, würzig und mit ganzen Stücken. Letztere war die wichtigste Gruppe. Warum? Weil es damals im Supermarkt keine einzige Nudelsoße mit ganzen Stücken im Handel gab. Im Laufe des nächsten Jahrzehnts brachte allein diese neue Sorte Prego Hunderte Millionen Dollar ein. »Wir waren alle verblüfft«, erinnert sich Monica Wood, die damalige Leiterin der Marktforschungsabteilung von Campbell’s. »Da gab es ein drittes Segment von Kunden, das gern dicke Nudelsoßen aß, und das überhaupt noch nicht angesprochen worden war. So um das Jahr 1989 oder 1990 haben wir deswegen Prego
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