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Was der Hund sah

Was der Hund sah

Titel: Was der Hund sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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er. Es blieben nur noch wenige Minuten. Ein letztes Mal rühmte Ron die Tugenden des Ofens, und die Grafik machte einen weiteren Satz nach oben, als Zuschauer im ganzen Land die Geldbörsen zückten. Die Zahlen auf dem zweiten Bildschirm verschwammen, während die Summe in Sprüngen von 129,72 Dollar plus Versandkosten in die Höhe schnellte. »Wir kommen auf eine Million, und das in der ersten Stunde«, staunte einer der Mitarbeiter des Senders mit Ehrfurcht in der Stimme.
    Es war eine Sache, zu hören, dass Ron der beste Verkäufer aller Zeiten war, und eine andere, mit eigenen Augen den Beweis dafür zu sehen. In diesem Moment ging die Tür auf und ein Mann kam herein, leicht gebückt und müde, aber mit einem Lächeln im Gesicht. Es war Ron Popeil, der in seiner Küche einen hervorragenden Grillofen erfunden und ihn selbst auf der Straße verkauft hatte. Ein Schweigen legte sich über den Raum, dann sprangen alle auf und jubelten.
    30. Oktober 2000

Das Ketchup-Rätsel
Es gibt Dutzende Senfsorten. Warum nur einen Ketchup?
1.
    Vor vielen Jahren gab es in den Regalen der Supermärkte nur einen Senf: French. Er wurde in einer Plastikflasche verkauft. Die Kunden aßen ihn auf Hotdogs und Aufschnitt. Es war ein gelber Senf, der aus gemahlenen weißen Senfkörnern, Gelbwurz und Essig hergestellt wurde und einen milden, leicht metallisch anmutenden Geschmack hatte. Wenn man lange suchte, konnte man in der Spezialitätenabteilung einen Dijon-Senf mit dem Namen Grey Poupon finden, der aus den etwas schärferen braunen Senfkörnern hergestellt wurde. Zu Beginn der Siebziger machte Grey Poupon im Jahr ein paar Hunderttausend Dollar Umsatz. Wenige Kunden wussten, dass es den Senf gab oder wie er schmeckte, und noch weniger wünschten sich eine Alternative zu French oder dessen Konkurrenten Gulden. Doch eines Tages machte die Heublein Company, der Hersteller von Grey Poupon, eine interessante Entdeckung: Wenn man Kunden verschiedene Senfsorten testen ließ, dann wechselte eine beachtliche Zahl nach nur einer einzigen Probe von gelbem Senf zu Grey Poupon. In der Nahrungsmittelwelt ist dies ein vollkommen unerhörter Vorgang - selbst unter etablierten Marken erzielt nur jede hundertste eine vergleichbare Wechselrate. Grey Poupon war die reine Magie.
    Also füllte Heublein seinen Grey Poupon in ein größeres Glas und verpasste dem Etikett ein Wappen und ein französisches Flair, um den Eindruck zu vermitteln, der Senf komme aus Europa (obwohl er in Wirklichkeit in Hartford, Connecticut, mit Senfkörnern und Weißwein aus Kanada hergestellt wurde). Das Unternehmen schaltete eine Anzeigenkampagne in vornehmen gastronomischen Zeitschriften. Es verpackte den Senf in kleine Plastiktütchen und reichte ihn zu Bordmahlzeiten in Flugzeugen, was damals eine revolutionäre Marketingmaßnahme darstellte. Es heuerte die Werbeagentur Lowe Marschalk aus Manhattan an, um mit bescheidenem Budget eine Werbekampagne für das Fernsehen zu entwickeln. Im ersten Spot fährt ein Rolls-Royce über eine Landstraße. Auf dem Rücksitz sitzt ein Mann im Anzug, der einen Teller Corned Beef auf einem Silbertablett vor sich hat. Auf sein Nicken öffnet der Chauffeur das Handschuhfach. Es folgt, was in der Werbung als Enthüllungsmoment bezeichnet wird. Der Chauffeur reicht ein Glas Grey Poupon nach hinten. Ein zweiter Rolls-Royce überholt und fährt neben dem ersten her. Ein Mann lehnt sich aus dem Fenster und fragt: »Verzeihung. Hätten Sie vielleicht etwas Grey Poupon für mich?«
    In den Städten, in denen die Werbung zuerst ausgestrahlt wurde, stieg der Absatz von Grey Poupon um 40 bis 50 Prozent, und als Heublein die Kampagne auf andere Städte ausweitete, stieg der Absatz auch dort um 40 bis 50 Prozent. Supermärkte stellten Grey Poupon neben den Senf von French und Gulden. Ende der achtziger Jahre war Grey Poupon zur stärksten Senfmarke geworden. »Die Werbung suggerierte, dass dieser Senf zu den feineren Genüsse des Lebens gehörte«, erklärte Larry Elegant, Autor des ersten Grey Poupon-Spots. »Der Rolls Royce vermittelte die Botschaft, dass dieser Senf etwas anderes und besseres war.«
    Der Aufstieg von Grey Poupon bewies, dass amerikanische Kunden bereit waren, mehr zu zahlen - in diesem Fall 3,99 Dollar statt 1,49 Dollar für 225 Gramm - wenn die Ware Exklusivität und ein komplexes Geschmackserlebnis versprach. Der Erfolg zeigte außerdem, dass Geschmäcker und Gewohnheiten nicht fest sind: Nur weil Senf immer gelb war, hieß das noch

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