Was der Hund sah
sollte. Anfangs fühlte es sich ein bisschen an wie der Besuch bei einem Analytiker, nur dass Menkes nicht Monate oder Jahre Zeit hatte, um mir meine Geheimnisse zu entreißen, sondern nur eine einzige Sitzung. Nehmen wir eine typische Frage aus einem Vorstellungsgespräch: »Erinnern Sie sich an Situationen, in denen Ihre Arbeit kritisiert wurde. Wie sind Sie mit der Kritik umgegangen?« Die Bewerber wissen nur zu genau, was sie auf diese Frage zu antworten haben, erzählte Menkes. »Eines meiner Projekte habe ich nicht so gut erledigt wie sonst üblich«, sagte er in einem gespielt ernsthaften Tonfall. »Mein Vorgesetzter hat mir ein paar konstruktive Hinweise gegeben. Ich habe noch mal von vorn angefangen. Es hat weh getan. Aber es hat funktioniert.« Genauso die Frage: »Wie würden Ihre Freunde Sie beschreiben?« Die korrekte Antwort lautet: »Ich nehme an, sie würden mich als einen offenen Menschen beschreiben - oder sie würden sagen, dass ich viel arbeite.« Am besten leiten Sie diese Antwort mit einer Pause ein, so als wären Sie nie darauf gekommen, dass Ihnen jemand diese Frage stellen könnte.
Mit Myers hatte ich auch über diese offensichtlichen Fragen gesprochen und ihn gefragt: »Was ist deine größte Schwäche?« Darauf hatte er geantwortet: »In meinem ersten Jahr an der Uni wollte ich ein Kinderfest organisieren und habe ein paar Leuten zur Unterstützung zusammengesucht. Aber irgendwann hatte ich Angst, dass mir das Ganze einfach über den Kopf wächst, dass wir uns zu viel Verantwortung aufgeladen haben, und ich habe die Bremse gezogen. Heute denke ich, wir hätten es einfach machen sollen, und es wäre eine Supersache geworden.«
Dann hatte Myers gegrinst und gesagt: »Ist das wirklich eine Schwäche? Natürlich nicht!« Und natürlich hatte er Recht. In Wirklichkeit hatte ich ihn gebeten, eine persönliche Stärke so zu beschreiben, als handele es sich um eine Schwäche, und er hatte mir gezeigt, dass er die ungeschriebenen Regeln des Vorstellungsgespräch beherrschte.
Aber was wäre, so Menkes, wenn man diese Fragen so stellt, dass sie nicht mehr offensichtlich sind? Zum Beispiel: »In einer wöchentlichen Teamsitzung beginnt Ihr Vorgesetzter plötzlich, Ihre Leistung in einem laufenden Projekt heftig zu kritisieren. Wie verhalten Sie sich?«
Ich verspürte einen leisen Stich im Magen. Was würde ich tun? Ich erinnerte mich daran, dass ich vor Jahren einen furchtbaren Vorgesetzten gehabt hatte. »Ich würde mich ärgern«, sagte ich. »Aber ich würde wahrscheinlich den Mund halten.« Menkes ließ sich nicht anmerken, ob ihm die Antwort gefiel oder nicht. Er meinte nur, andere antworteten auf diese Frage beispielsweise: »Ich würde meinen Vorgesetzten nach der Sitzung unter vier Augen darauf ansprechen und ihn fragen, warum er mich vor der Gruppe bloßgestellt hat.« Mit meiner Antwort gab ich zu verstehen, dass ich auf die Kritik eines Vorgesetzten stoisch reagieren würde, selbst wenn diese Kritik nicht gerechtfertigt ist. In seiner Antwort würde der Betroffene etwas konfrontativer reagieren. Oder zumindest gaben wir mit diesen Antworten zu verstehen, dass das Arbeitsumfeld unserer Ansicht nach entweder eine stoische oder eine konfrontative Haltung erfordere - für Menkes waren das interessante Einblicke.
Menkes wandte sich einem anderen Thema zu - dem Umgang mit Stress. In Vorstellungsgesprächen lautet eine der üblichen Fragen etwa: »Erinnern Sie sich an eine Situation, in der Sie mehrere Projekte gleichzeitig bearbeiten mussten. Wie sind Sie damit umgegangen? Was haben Sie zuerst erledigt?« Für Menkes war diese Frage ebenfalls zu einfach. »Ich musste die Arbeit sorgfältig strukturieren«, sagte er in seinem gespielten Bewerberernst. »Ich musste mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen. Ich musste Prioritäten setzen und delegieren. Ich habe mich mit einem Vorgesetzten kurzgeschlossen.« Dann formulierte er die Frage um: »Sie müssen zwei extrem wichtige Projekte bearbeiten und können unmöglich beide Termine einhalten. Sie können nicht beide Projekte erledigen. Was tun Sie?« »Na ja«, antwortete ich, »ich würde mir die beiden ansehen und dann entscheiden, welches mir besser liegt. Dann würde ich zu meinem Chef gehen und ihm sagen: ›Es ist besser, ich mache eins gut als zwei schlecht«, und wir würden gemeinsam überlegen, wer das andere Projekt übernehmen könnte.«
Menkes stürzte sich sofort auf ein aussagekräftiges Detail meiner Antwort. Ich wollte das
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