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Was der Hund sah

Was der Hund sah

Titel: Was der Hund sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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Projekt übernehmen, das mir besser lag. Aber ging es nicht um die Frage, was aus Sicht des Unternehmens am dringendsten erledigt werden musste? Mit dieser Antwort hatte ich etwas Wichtiges verraten: Wenn es am Arbeitsplatz zu einer Krise kam, begann ich mit der Lösung von meiner egozentrischen Warte aus. »Vielleicht sind Sie ein Einzelkämpfer«, sagte Menkes diplomatisch. »Das ist eine interessante Information.«
    Menkes zog bewusst keine weitreichenden Schlüsse. Wenn wir keine schüchternen, redseligen oder konfrontativen Menschen sind, sondern Menschen, die sich je nach Kontext schüchtern, redselig oder konfrontativ verhalten, dann müssen wir diese Unterschiede wahrnehmen und festhalten, wenn wir einen anderen Menschen wirklich kennen lernen wollen. Menkes strukturiertes Vorstellungsgespräch bietet eine Möglichkeit dazu; psychologische Untersuchungen haben ergeben, dass dieses Format das einzige ist, das tatsächlich Rückschlüsse auf die Leistung am Arbeitsplatz zulässt. Das strukturierte Vorstellungsgespräch ist verhältnismäßig starr. Alle Bewerber werden gleich behandelt. Die Fragen sind vorgegeben, die Personaler werden speziell geschult und die Bewerber anhand von festen Kriterien bewertet.
    Interessanterweise werden mit dem strukturierten Vorstellungsgespräch äußerst eng gefasste Ziele verfolgt. In meinem Gespräch mit Nolan Myers ging es mir darum, einen umfassenden Eindruck von ihm als Mensch zu bekommen. Menkes schien dagegen kein Interesse daran zu haben, einen ähnlich umfassenden Eindruck von mir zu gewinnen, denn er schien zu wissen, wie aussichtslos dieses Unterfangen in einem einstündigen Gespräch wäre. Das strukturierte Vorstellungsgespräch ist genau deshalb so effektiv, weil es kein Vorstellungsgespräch ist und weil es nicht darum geht, einen Menschen im herkömmlichen Sinne kennen zu lernen. Es geht nicht nur darum, bestimmte Informationen zu sammeln, sondern auch darum, andere herauszufiltern.
    Es ist kein Wunder, dass die meisten Unternehmen dem strukturierten Vorstellungsgespräch skeptisch gegenüberstehen. Spontan scheint irgendetwas nicht zu stimmen. Für die meisten ist ein Beschäftigungsverhältnis fast eine Art Liebesbeziehung und ein Vorstellungsgespräch so etwas wie ein erstes Rendezvous. Die Chemie soll stimmen, selbst wenn die Beziehung schließlich in Tränen endet und sich herausstellt, dass die Partner nichts miteinander gemeinsam haben. Wir wollen die grenzenlose Verheißung der großen Liebe. Doch das strukturierte Vorstellungsgespräch ist so spröde und pragmatisch wie eine arrangierte Ehe.
5.
    Nolan Myers machte sich die Entscheidung nicht leicht. Er telefonierte eine halbe Stunde mit Microsoft-CEO Steve Ballmer, der sich sehr ins Zeug legte. »Er hat mir ausgezeichnete Ratschläge gegeben«, erinnerte sich Myers. »Er meinte, ich sollte bei dem Arbeitgeber anfangen, der mir am besten gefällt und der meiner Meinung nach am besten für meine Karriere ist. Er hat sich mir als Mentor angeboten.« Myers erzählte mir, er unterhalte sich täglich mit seinen Eltern über seine Entscheidung. Im Februar flog er nach Kalifornien und ging einen Samstag lang von einem Tellme-Manager zum anderen, um Fragen zu stellen und zu beantworten. »Ich wollte drei Dinge wissen. Erstens, was sind die langfristigen Ziele des Unternehmens. Wo will es in fünf Jahren stehen? Zweitens, welche Rolle spiele ich im Unternehmen?« Er unterbrach sich und lachte. »Und was das dritte war, habe ich vergessen.« Im März entschied sich Myers für Tellme.
    Wird Nolan Myers bei Tellme Erfolg haben? Ich vermute, ja, aber ich habe natürlich keine Ahnung. Diese Frage ist heute sehr viel schwerer zu beantworten als vor dreißig oder vierzig Jahren. Im Jahr 1965 hätte Nolan Myers bei IBM angefangen, einen blauen Anzug getragen, in einem kleinen Büro gesessen und sich ruhig verhalten. Seine Persönlichkeit hätte kaum eine Rolle gespielt. Es war nicht wichtig, ob IBM seine Mitarbeiter verstand, ehe es sie einstellte, denn die Bewerber verstanden IBM. Wer in Armonk oder der Filiale in Illinois durch die Tür trat, wusste, wie er oder sie sich zu verhalten hatte. Doch wer durch die hohen, offenen Büros von Tellme mit ihren Stockbetten über den Schreibtischen geht, erkennt auf den ersten Blick, dass die Kultur von Silicon Valley ungleich anspruchsvoller ist. Nolan Myers bekommt keine Gebrauchsanweisung, keinen blauen Anzug und kein Organigramm. Wie jedes Hitech-Start-up will Tellme, dass

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