Was der Hund sah
modernen Wirtschaft. Aber was erfahren wir über einen fremden Menschen, wenn wir uns eine Stunde mit ihm zusammensetzen und reden?
2.
Vor einigen Jahren begann die Harvard-Psychologin Nalini Ambady zusammen mit ihrem Kollegen Robert Rosenthal mit der Erforschung der nonverbalen Aspekte des guten Unterrichts. Grundlage waren Videos von Dozenten, die während eines Trainingsprogramms in Harvard aufgenommen worden waren. Ambady wollte Außenstehenden diese Videos ohne Ton vorführen und sie bitten, die Dozenten allein aufgrund ihrer Gestik und Mimik zu beurteilen. Ursprünglich sollten die ausgewählten Aufnahmen eine Minute lang sein, doch bei der Durchsicht der Videos stellte sie fest, dass die Dozenten maximal zehn Sekunden allein auf dem Bild zu sehen waren. »Ich wollte keine Studierenden im Bild haben, um die Bewertung nicht zu beeinflussen«, sagte Ambady. »Ich habe meinen Betreuer gefragt, und der meinte, das würde nie funktionieren.«
Aber es funktionierte. Die Teilnehmer des Experiments hatten keine Schwierigkeiten, die Dozenten nach dem zehnsekündigen Ausschnitt anhand einer Checkliste von fünfzehn Eigenschaften zu beurteilen. Als Ambady den Clip auf fünf Sekunden zusammenschnitt, blieben die Beurteilungen dieselben. Und sie waren auch noch dieselben, als Amady nur noch einen zwei Sekunden langen Ausschnitt zeigte. So unglaublich das klingt, doch wenn man sich Amadys Videos ansieht, wie ich es getan habe, stellt man fest, dass die fehlenden acht Sekunden im Grunde überflüssig sind: Der erste Eindruck reicht vollkommen aus. Wir fällen unsere Urteile blitzartig. Das ändert nichts an ihrer Qualität: Wir haben einen Eindruck, den wir problemlos in Worte fassen können.
Amadys nächste Erkenntnis war noch erstaunlicher. Sie verglich die Blitzbeurteilungen der Dozenten mit den Bewertungen, die Studenten nach einem ganzen Semester über diese Dozenten abgegeben hatten. Dabei ergaben sich überraschende Übereinstimmungen. Jemand, der eine zwei Sekunden lange, tonlose Videosequenz mit einem unbekannten Dozenten gesehen hat, beurteilte dessen Qualität als Lehrer genauso wie jemand, der ein ganzes Semester lang im Klassenzimmer dieses Dozenten gesessen hat.
Kürzlich führte Frank Bernieri, Psychologe der Universität Toledo, ein ähnliches Experiment durch. Er bildete zwei seiner Studierenden sechs Wochen lang in der Durchführung von Vorstellungsgesprächen aus und ließ sie dann Gespräche mit 98 Versuchspersonen durchführen. Die Vorstellungsgespräche dauerten zwischen fünfzehn und zwanzig Minuten, danach füllte jeder der beiden Gesprächsleiter einen sechsseitigen Fragenbogen zur Beurteilung der jeweiligen Person aus. Ursprünglich sollte die Untersuchung klären, ob Bewerber, die bestimmte nonverbale Tricks anwendeten und beispielsweise die Gestik und Sitzhaltung der Gesprächsführer nachahmten, besser bewertet wurden als Bewerber, die sich normal verhielten. Die Antwort war nein. Danach hatte Bernieris Assistentin Tricia Prickett die Idee, anhand der Videos die alte Redensart zu überprüfen, nach der eine Handschlag alles über einen Menschen verrät.
»Sie nahm den fünfzehnsekündigen Ausschnitt des Videos, auf dem zu sehen ist, wie der Bewerber oder die Bewerberin anklopft, hereinkommt, den Gesprächsführern die Hand gibt und sich hinsetzt«, erklärte Bernieri. Dann ließ Prickett die Bewerber anhand dieses Clips von Unbekannten beurteilen, und zwar nach denselben Kriterien, wie sie die Gesprächsführer verwendet hatten. Auch hier stimmten die Bewertungen entgegen aller Erwartungen weitgehend überein. »In neun von elf Kategorien kamen die Zuschauer der Videos zu ähnlichen Schlüssen wie unsere Gesprächsführer«, sagte Bernieri. »Der Grad der Übereinstimmung ist erstaunlich.«
Diese Untersuchung geht einen Schritt weiter als die Arbeit Amadys. Bernieri führte sein Experiment mit Versuchspersonen durch, die in der Technik des Vorstellungsgesprächs geschult waren. Sie machten nicht auf dem Weg aus dem Kursraum ein paar Kreuzchen auf einer Dozentenbewertung, sondern sie füllten einen ausführlichen, strukturierten Fragebogen aus, der darauf ausgelegt war, ein umfassendes und unvoreingenommenes Bild der befragten Person zu liefern. Trotzdem unterschieden sich die Bewertungen nicht erheblich von denen, wie sie ein paar Leute von der Straße abgaben, die eine Begrüßungsszene gesehen hatten.
Und genau deshalb fällten Hadi Partovi, Steve Ballmer und ich dasselbe Urteil über
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