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Was der Hund sah

Was der Hund sah

Titel: Was der Hund sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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Stone), die Society-Blondine (C. Z. Guest) und die kühle Blondine (Marlene Dietrich, Grace Kelly). L’Oreal erfand einen neuen Typen irgendwo zwischen den sonnigen - den »einfach gestrickten, heimeligen und unschuldigen« Blondinen und den smarten, mutigen und frechen Blondinen, »die ihre Gefühle nicht zügeln und ihre Stimmen nicht senken«, wie McCracken schreibt.
    Diese Befindlichkeit war alles andere als leicht zu verkörpern. Über die Jahre haben zahllose Schauspielerinnen bei L’Oreal vorgesprochen und wurden abgelehnt. »Wir hatten mal ein Casting mit Brigitte Bardot«, erinnert sich Ira Madis (es handelte sich allerdings um ein anderes Produkt). »Brigitte hatte Riesenprobleme mit dieser Zeile. Im tiefsten Innern hat sie den Satz nicht geglaubt.« Natürlich nicht. Brigitte ist die Bombe, keine aufsässige Blondine.
    Clairol versuchte, das Preference-Gefühl zu kopieren und machte in den achtziger Jahren Linda Evans zum Model für Ultress, das Konkurrenzprodukt in der Preisklasse von Preference. Eine glatte Fehlbesetzung. Evans, die als Krystle im Denver Clan ihren Mann Blake Carrington anbetet, war schlicht zu sonnig. (»In der Serie bestand Krystles schwierigste Aufgabe darin, Blumen zu arrangieren«, meint Michael Sennot, was vielleicht nicht ganz fair ist.)
    Aber selbst wenn die Blondine stimmte, blieb immer noch der Slogan. In den siebziger Jahren produzierte Polykoff eine Reihe von Clairol-Spots mit dem Spruch »Das tu ich für mich.« Doch das war bestenfalls eine halbherzige Annäherung an »Weil ich es mir wert bin«
    - vor allem, weil die Marke zwei Jahrzehnte lang etwas vollkommen anderes gesagt hatte. »Meine Mutter meinte, ›Weil ich es mir wert bin‹ sei zu frech«, erzählte mir Frick. »Sie war immer besorgt, was die Menschen in ihrer Umgebung über sie dachten. Sie wäre nie auf diese direkte Gleichsetzung von Haarfarbe und Selbstbewusstsein gekommen.«
    Die Befindlichkeit von Polykoff, die Freiheit in der Assimilierung gefunden hatte, war inzwischen von der Geschichte überholt worden. Einer der Spots der »Stimmt es, dass Blondinen mehr Spaß haben?«- Kampagne aus den sechziger Jahren muss 1973 beim Zusehen wehgetan haben. Eine junge, strahlend blonde Frau wird in der Nähe eines Sees von einem gutaussehenden, braungebrannten jungen Mann in der Luft herumgewirbelt. Sie hat die Arme um seinen Hals geschlungen, ist barfuß, und ihr Gesicht strahlt. Eine sonore Männerstimme sagt aus dem Off: »Wahrscheinlich hätte sie den Mann sowieso bekommen, aber davon werden Sie sie nie überzeugen.« Das war die andere Seite der Welt von Shirley Polykoff. Mithilfe einer Lüge konnte man bekommen, was man wollte, und man würde nie herausfinden, ob man es sich selbst oder der Lüge zu verdanken hatte. Dabei lief man Gefahr zu vergessen, wer man wirklich war. Shirley Polykoff wusste, dass der American Way of Life es wert war, und dass »er« - der attraktive Mann am See oder der zaudernde Verlobte, der einen schließlich auf die Bermudas entführte - es wert war. Aber Ende der sechziger Jahre wollten Frauen hören, dass sie selbst es sich wert waren.
5.
    Warum sollten wir uns heute für Shirley Polykoff und Ilon Specht interessieren? Man sollte meinen, dass sich diese Frage einfach mit einem Hinweis auf die Details ihrer Werbekampagnen beantworten ließe. Sie waren brillante Texterinnen, die in einem Satz die feministischen Befindlichkeiten der Zeit auf den Punkt brachten. Sie sind Beispiele für einen denkwürdigen Moment in der Geschichte der amerikanischen Gesellschaft, in dem sich Haarfärbemittel aus unerfindlichen Gründen in der Politik der Assimilierung, des Feminismus und des Selbstvertrauens verhedderten. Doch in ihren Geschichten geht es noch um sehr viel mehr: Um unsere Beziehung zu den Produkten, die wir kaufen, und um die allmähliche Erkenntnis der Werbemacher, dass sie die modernen Konsumenten nur dann erreichen, wenn sie die Psychologie dieser Beziehung verstehen, das heißt, wenn sie unsere alltäglichen Handlungen würdigen und ihnen Bedeutung verleihen. Shirley Polykoff und Ilon Specht perfektionierten ein Genre der Werbung, das genau darauf abzielte, und die Werberevolution der Nachkriegszeit lässt sich als kollektiver Versuch verstehen, dieses Genre zu definieren und zu erweitern. Diese Revolution wurde von einer Handvoll von Sozialwissenschaftlern angeführt, darunter eine elegante Wiener Psychologin namens Herta Herzog. Herzog verstand, warum »Tut sie’s oder tut

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