Was der Hund sah
sie’s nicht?« und »Weil ich es mir wert bin« so erfolgreich waren, und deshalb ist sie genauso interessant wie Shirley Polykoff und Ilon Specht.
Herzog arbeitete für die kleine Werbeagentur Jack Tinker & Partners. Wer damals in der Branche tätig war, spricht von Tinker mit derselben Ehrfurcht wie Baseballfans von den New York Yankees des Jahres 1927. Tinker war das Baby des legendären Werbers Marion Harper, der zu dem Schluss kam, dass die Agentur, die er leitete, nämlich McCann Erickson, zu groß und unhandlich geworden war, um gründlich nachdenken zu können. Also nahm er eine Handvoll der besten Mitarbeiter von McCann mit und brachte sie zuerst in den Waldorf Towers (direkt unter der Suite des Duke of Windsor und direkt über der von General Douglas MacArthur) unter und gab ihnen dann im Dorset Hotel an der 54. Straße West gegenüber dem Museum of Modern Art eine dauerhaftere Bleibe. Die Tinker Group mietete das Penthouse mit seiner riesigen Terrasse, den venezianischen Fliesen, einem zwei Stockwerke hohen Wohnzimmer, einer glänzenden Stahltheke, einem Marmorkamin, einer spektakulären Aussicht auf die Skyline von Manhattan und einer Wechselausstellung von moderner Kunst (die die Partner zur Mitarbeitermotivation aufhängten). Alles - Wände, Teppiche, Decken, Möbel - war in blendendem Weiß gehalten. Es sollte ein Think Tank sein, doch Tinker war so erfolgreich, dass die Klienten schon bald Schlange standen. Als Buick einen Namen für sein neues Luxuscoupe suchte, erfand die Tinker Group den Riviera. Als Bulova seine neue Quartzuhr benennen wollte, schlug Tinker Accutron vor. Auch für Coca Cola, Esso, Westinghouse und zahllose andere Kunden, die aus Gründen der Diskretion nicht genannt werden, arbeitete Tinker. Die Agentur begann mit vier Partnern und einem Telefon. Ende der Sechziger hatte sie acht Stockwerke im Dorset angemietet.
Was Tinker auszeichnete, war eine Methode, die als Motivationsforschung bekannt war, und die in den vierziger Jahren von einer Gruppe von Wiener Intellektuellen an die Madison Avenue gebracht worden war. Die Werbeforschung hatte sich bis dahin darauf beschränkt, Kunden zu zählen und zu registrieren, wer was kaufte. Doch die Motivationsforschung interessierte sich für das Warum. Was bewegt die Kunden zum Kauf? Die Wissenschaftler entwickelten Fragebögen mit Hunderten von Fragen, die auf der Freudschen Psychoanalyse basierten. Sie verwendeten Hypnose, Rosenzweigs Frustrationstoleranztest, Rollenspiele und Rorschachtests und erfanden das, was heute als Fokusgruppe bekannt ist. Einer von ihnen war Paul Lazarsfeld, einer der bedeutendsten Soziologen des20. Jahrhunderts, der einen Apparat mit dem Namen Lazarsfeld-Stanton Program Analyzer entwickelte, ein kleines Gerät mit Knöpfen, mit dessen Hilfe die emotionalen Reaktionen von Testteilnehmern festgehalten werden konnten. Ein anderer war Hans Zeisel, der in Wien ein Schüler von Alfred Adler gewesen war und nun bei McCann-Erickson anfing. Oder Ernest Dichter, der unter Lazarsfeld am Psychologischen Institut in Wien studiert hatte und Hunderte der bedeutendsten Unternehmen der Zeit beriet. Und dann war da noch Herta Herzog von Tinker, vielleicht die fortschrittlichste Motivationsforscherin, die Dutzende Mitarbeiter in die Wiener Befragungsmethode einführte und losschickte, um die Seele der amerikanischen Verbraucher zu ergründen.
»Für einen puertoricanischen Rum wollte Herta einmal untersuchen, warum Menschen trinken, und herausfinden, was unter der Oberfläche passiert«, erinnert sich Rena Bartos, eine frühere Werbemanagerin, die in der Anfangszeit mit Herzog zusammenarbeitete. »Wir haben die Leute auf einen Drink eingeladen, sie haben ihr Lieblingsgetränk bestellt, und wir haben den psychologischen Test durchgeführt. Nach einem Gespräch und dem Getränk haben wir den Test wiederholt. Wir wollten herausfinden, wie der Alkohol die Persönlichkeit verändert.« Herzog half auch bei der Namensfindung der Oasis-Zigaretten, denn nach ihren psychologischen Untersuchungen kam sie zu dem Schluss, dass dieser Name mit seiner Assoziation von kühlen, sprudelnden Quellen die oral fixierten Raucher am ehesten ansprechen würde.
»Herta war elegant, sanft und eloquent.« So beschreibt sie Herbert Krugman, der damals eng mit ihr zusammenarbeitete. »Sie hatte überraschende Einfälle. Wir sollten Alka-Seltzer bewerben und haben einen neuen Ansatz für den nächsten Werbespot besprochen. Sie hat gesagt: ›Ihr zeigt eine
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