Was der Hund sah
Vorhängen. Die Frau war nichts als ein Objekt. Ich glaube, sie sollte kein einziges Wort sagen. Sie haben’s einfach nicht kapiert. Wir haben stundenlang da drin gehockt.«
Ilon Specht hat langes und dichtes schwarzes Haar, das sie zu einem losen Knoten hochgesteckt hat und trägt kirschroten Lippenstift. Sie spricht schnell und laut, dreht sich beim Sprechen in ihrem Stuhl herum, und wenn Leute an ihrem Büro vorbeigehen, hämmern sie gelegentlich an die Tür, als könnte man Spechts Aufmerksamkeit nur gewinnen, indem man so laut und emphatisch ist wie sie. Sie plaudert ein wenig über die Siebziger und erinnert sich an merkwürdige Kunden in Glitzeranzügen, die behauptet hatten, alle Frauen im Büro sähen aus wie Models. Sie spricht darüber, was es damals bedeutete, als junge Frau in einer Branche zu arbeiten, die von älteren Männern beherrscht wurde, und wie es sich anfühlte, wenn sie in einem Werbetext das Wort »Frau« verwendete und jemand es durchstrich und durch »Mädchen« ersetzte.
»Ich war ein 23-jähriges Mädchen, eine Frau«, sagt sie. »Was sollte ich denken? Diese Leute hatten ein traditionelles Frauenbild, und ich wollte keine Anzeige haben, in der es darum ging, dass sich Frauen für Männer schön machen. Ich hab nur gedacht, scheiß doch auf euch alle. Dann hab ich mich hingesetzt und es geschrieben, in fünf Minuten. Es war sehr persönlich. Ich kann den Text immer noch auswendig, weil ich so sauer war, als ich ihn geschrieben habe.«
Specht sitzt regungslos auf ihrem Stuhl und senkt die Stimme: »Ich benutze das teuerste Haarfärbemittel der Welt. Preference von L’Oreal. Das Geld ist mir nicht wichtig. Was mir wichtig ist, ist mein Haar. Nicht nur die Farbe. Eine tolle Farbe ist eine Selbstverständlichkeit für mich. Wichtiger ist mir, wie sich mein Haar anfühlt. Weich und seidig, aber zugleich voll. Es fühlt sich gut an, wenn es mir in den Nacken fällt. Ich gebe gern mehr Geld aus für L’Oreal. Weil ich« - hier schlägt sich Specht mit der Faust auf die Brust - »es mir wert bin.«
Anfangs dachten viele, die Werbung sei deshalb so stark, weil sie auf subtile Weise die Tatsache rechtfertigte, dass Preference 10 Cent mehr kostete als Nice’n Easy. Doch bald wurde klar, dass die letzte Zeile die entscheidende war. Mit der Zeile »Weil ich es mir wert bin« nahm Preference Clairol Marktanteile ab. In den achtziger Jahren hatte es Nice’n Easy als Marktführer hinter sich gelassen, und vor zwei Jahren machte L’Oreal den Satz zum Slogan für das ganze Unternehmen. Erstaunliche 71 Prozent aller Frauen erkennen den Satz und identifizieren ihn mit L’Oreal - eine beispiellose Quote für einen Werbespruch.
4.
Die Preference-Kampagne fiel von Anfang an aus dem Rahmen. Polykoffs Spots waren durchweg von Männern gesprochen worden. In der L’Oreal-Werbung kam das Model selbst zu Wort, direkt und persönlich. Polykoffs Anzeigen sprachen das Fremdbild an - es ging um die Frage, was andere sagen (»Tut sie’s oder tut sie’s nicht?«) oder was der Ehemann denkt (»Je näher er kommt, desto besser sehen Sie aus«). Der Werbespruch von Ilon Specht war jedoch etwas, dass eine Frau sich selbst sagte. Auch in der Wahl der Models unterschieden sich die beiden Kampagnen. Polykoff wollte das frische, nette Mädel von nebenan. Die Models von McCann und L’Oreal sollten die komplexe Mischung aus Stärke und Verletzlichkeit verkörpern, die in dem Satz »Weil ich es mir wert bin« zum Ausdruck kommt. Ende der siebziger Jahre war Meredith Baxter Birney das Gesicht der Marke. Sie spielte damals in der Fernsehserie Families eine frisch geschiedene Mutter, die Jura studiert. McCann platzierte die Spots in Dallas und anderen Serien mit »Frauen in Seidenblusen« - unabhängigen und selbstbewussten Frauen. Ihr folgte in den achtziger Jahren Cybill Shepherd, die in Das Model und der Schnüffler die forsche, unabhängige Maddie spielte. In den Neunzigern übernahm schließlich Heather Locklear den Part, die toughe und aufregende Hauptdarstellerin aus Melrose Place.
Alle L’Oreal Models waren Blondinen, doch von einer ganz bestimmten Sorte. In seinem genialen Buch Big Hair (1995) stellt der kanadische Anthropologe Grant McCracken eine Art »Periodensystem der Blondheit« auf, für das er Blondinen in sechs Kategorien einteilt: die bombige Blondine (Mae West, Marilyn Monroe), die sonnige Blondine (Doris Day, Goldie Hawn), die freche Blondine (Candice Bergen), die gefährliche Blondine (Sharon
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