Was der Hund sah
Mammografie erfasst werden kann, die Entwicklung des Tumors bereits festzustehen scheint. »Bei der Entfernung stellen wir fest, dass jeder Tumor seine eigene Biologie hat, die bereits festzulegen scheint, ob er Metastasen bildet oder nicht«, sagt Stephen Friend, Mitglied eines Genforschungsteams bei Merck. »Wir halten kleine Tumore oft für harmlos. Aber in Wirklichkeit weist dieses Knötchen oft schon Eigenschaften auf, die auf einen guten oder schlechten Verlauf hindeuten.«
Die gute Nachricht ist, dass wir irgendwann in der Lage sein werden, eine genetische Brustkrebsvorsorge durchzuführen und mithilfe anderer Tests die Ursachen genetischer Veränderungen zu erkennen. Das könnte auch dazu beitragen, das Problem der typischen Überbehandlung bei Brustkrebs zu lösen. Wenn wir den kleinen Anteil der Frauen erkennen können, deren Tumor metastasiert, können wir den übrigen die Operation, Bestrahlung und Chemotherapie ersparen. Die Genforschung gibt Wissenschaftlern Anlass zum Optimismus im Kampf gegen Brustkrebs. Doch dieser Fortschritt wird nicht über mehr und bessere Bilder erzielt. Er wird möglich, wenn wir die Bilder hinter uns lassen.
Angesichts dieser Umstände ist es nur zu verständlich, dass die Mammografie umstritten ist. Das Bild verspricht Gewissheit, aber es löst dieses Versprechen nicht ein. Selbst nach vierzig Jahren Forschung sind sich Wissenschaftler nicht einig, inwieweit die Röntgenaufnahmen Frauen in der Risikogruppe der Fünfzig- bis Siebzigjährigen tatsächlich nutzen, oder ob es gerechtfertigt wäre, Frauen unter fünfzig und über siebzig regelmäßig einer Mammografie zu unterziehen. Lässt sich dieser Streit irgendwie beilegen?
Donald Berry glaubt das nicht, denn eine klinische Nützlichkeitsstudie der Mammografie wäre derart umfangreich (es müssten eine halbe Million Frauen untersucht werden) und teuer (sie würde Milliarden verschlingen), dass sie nicht durchführbar ist. Die Verwirrung hat dafür gesorgt, dass Radiologen, die Mammografien vornehmen, häufig wegen Behandlungsfehlern angeklagt werden. »Die Radiologen führen Hunderttausende Mammografien durch und vermitteln den Frauen den Eindruck, dass sie sinnvoll und gut sind. Außerdem sagen sie den Frauen, wenn ein Tumor gefunden wird, vor allem wenn er früh gefunden wird, dann haben sie eine bessere Überlebenschance«, erklärt E. Clay Parker, ein Anwalt aus Florida, der unlängst in einem Prozess gegen einen Radiologen aus Orlando 5,1 Millionen Dollar Schadenersatz erstreiten konnte. »Aber wenn es dann so weit ist, sagen sie, dass es egal ist, in welchem Stadium man den Tumor erkennt. Da kann man doch nur den Kopf schütteln und sich fragen, warum sie überhaupt eine Mammografie machen.«
Die Antwort ist, dass Mammografien nicht unfehlbar sein müssen, um Leben zu retten. Nach konservativen Schätzungen verringert eine Mammografie das Risiko, an Brustkrebs zu sterben, um 10 Prozent. Im Durchschnitt verlängert sich das Leben einer fünfzigjährigen Frau um drei Tage. Damit hat die Mammografie ungefähr denselben Nutzen wie ein Fahrradhelm. Das ist nicht wenig. Wenn man das auf die Millionen von Frauen in den Vereinigten Staaten hochrechnet, rettet die Mammografie Jahr für Jahr Tausende Leben. Zusammen mit neuen Behandlungsformen und Medikamenten hat sie die Aussichten für Frauen mit Brustkrebs erheblich verbessert. Die Mammografie ist nicht so gut, wie wir es uns wünschen würden. Aber wir sind mit ihr immer noch besser dran als ohne sie.
»Viele von uns erkennen inzwischen, dass wir die Mammografie vielleicht zu aggressiv verkauft haben«, sagt Dershaw. »Damit haben wir möglicherweise den Eindruck erweckt, dass die Mammografie mehr leistet, als tatsächlich der Fall ist.« Bei diesen Worten blickte er auf die Mammografie der Frau, deren Tumor unsichtbar gewesen wäre, wenn er ein paar Zentimeter weiter rechts entstanden wäre. Ob es ihn nervös mache, sich ein Röntgenbild wie dieses anzusehen? Dershaw schüttelt den Kopf. »Sie müssen die Grenzen der Technologie respektieren. Meine Aufgabe besteht nicht darin, mit der Mammografie Dinge finden zu wollen, die man mit ihr nicht finden kann. Sie besteht darin, die Dinge zu finden, die man finden kann. Wenn ich das nicht akzeptieren kann, sollte ich keine Mammografien lesen.«
Im Februar 2003, kurz vor Beginn des Irakkriegs, trat Außenminister Colin Powell vor die Vereinten Nationen und erklärte, der Irak verstoße gegen internationales Recht. Powell
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