Was der Hund sah
Leider verriet das Bild, das die Generäle der Air Force von ihrem Ziel hatten, nicht das, was sie wirklich wissen mussten. Die Deutschen hatten nämlich offenbar große Kugellagervorräte. Sie hatten keine Schwierigkeiten, ihre Lieferungen aus Schweden und der Schweiz aufzustocken. Und durch einige kleinere Änderungen am Design gelang es ihnen, den Bedarf an Kugellagern beim Bau von Flugzeugen erheblich zu reduzieren. Dazu kam schließlich, dass zwar die Werkshallen der Kugellagerfabriken zerstört worden waren, nicht aber die Maschinen. »Kein Panzer, kein Flugzeug wurde aus Mangel an Kugellagern weniger gebaut«, schrieb Albert Speer, der deutsche Reichsminister für Bewaffnung und Munition, nach dem Krieg. Ein Problem zu erkennen und es zu verstehen, ist eben zweierlei.
Mit der Entwicklung hochpräziser Langstreckenwaffen hat sich das Schweinfurt-Problem in den letzten Jahren eher noch verschärft. Wenn man die Küche eines Hauses ins Visier nehmen und treffen kann, dann muss man nicht das ganze Haus bombardieren. Das heißt, man kann statt eines 500- einen 100-Kilo-Sprengkopf verwenden. Das bedeutet wiederum, dass man fünfmal so viel Sprengköpfe in ein Flugzeug laden und bei einem einzigen Flug fünfmal so viele Ziele treffen kann. Das klingt gut, bis man bedenkt, dass man jetzt Informationen über fünfmal so viele Ziele benötigt. Und diese Information muss fünfmal so spezifisch sein, denn wenn sich das Ziel im Schlafzimmer befindet, und nicht in der Küche, dann ist der Angriff gescheitert.
Vor diesem Problem stand die Militärführung der Vereinigten Staaten im Zweiten Golfkrieg. Zu Beginn des Krieges ließ das Militär eine Reihe von Angriffen auf spezifische Ziele fliegen, in denen Saddam Hussein oder andere Führer der Baath-Partei vermutet wurden. Insgesamt wurden fünfzig dieser so genannten Enthauptungsschläge durchgeführt, die sich darauf stützten, dass man heute mit GPS-geleiteten Raketen Ziele mit einer Genauigkeit von dreizehn Metern ins Ziel lenken kann. Die Angriffe waren erstaunlich präzise. In einem Fall wurde ein Restaurant zerstört, in einem anderen grub sich eine Rakete bis hinunter in einen Keller. Doch letztlich war jeder dieser Angriffe ein Fehlschlag. »Das Problem war nicht die Präzision«, erklärt Watts, der Bücher und Artikel über die Grenzen von Hightech-Waffen verfasst hat. »Die Menge an Information, die wir benötigen, hat sich im letzten Jahrzehnt vervielfacht.«
5.
Auch die Mammografie hat ein Schweinfurt-Problem. Nirgends wird dies deutlicher als im Falle eines Brusttumors, der als Carcinoma in situ, oder CIS bekannt ist. In der Mammografie erscheint ein CIS in Form von Kalkablagerungen in den Milchgängen. Dieser Tumor hat sich nicht über diese Gänge hinaus ausgebreitet und ist so winzig, dass er ohne Mammografie nie entdeckt werden würde. Mit der Zunahme der Mammografien in den vergangenen Jahrzehnten ist die Zahl der CIS-Diagnosen explodiert. Jedes Jahr werden in den Vereinigten Staaten rund 50 000 neue Fälle diagnostiziert, und in fast allen Fällen wird das in der Mammografie entdeckte Karzinom prompt entfernt. Doch was bedeuten die Entdeckung und Behandlung von CIS für den Kampf gegen den Brustkrebs? Man sollte doch eigentlich davon ausgehen, dass die Entdeckung von 50 000 Krebsfällen im Frühstadium einen entsprechenden Rückgang von Krebsfällen im Spätstadium zur Folge hat. Das ist jedoch offenbar nicht der Fall. In den letzten zwanzig Jahren hat die Brustkrebsrate weiter langsam, aber stetig zugenommen.
Im Jahr 1987 führten dänische Pathologen Autopsien an Frauen im Alter zwischen vierzig und fünfzig Jahren durch, bei denen kein Brustkrebs diagnostiziert worden war, und die an anderen Ursachen gestorben waren. Dabei fanden sie bei 40 Prozent aller Frauen Hinweise auf einen Brustkrebs, in der Regel CIS. Da Brustkrebs weniger als 4 Prozent der Todesursachen bei Frauen ausmacht, wäre die überwiegende Zahl dieser Frauen, wenn sie den länger gelebt hätte, später nicht an Brustkrebs gestorben. »Das heißt für mich, dass es häufig zu genetischen Veränderungen kommt, ohne dass sich diese auf die Gesundheit der Frauen auswirken würden«, meint Karla Kerlikowske, Brustkrebsexpertin an der University of California in San Francisco. »Der Körper verfügt über eine Vielzahl von Reparaturmechanismen, und vielleicht verschwinden diese Tumore einfach wieder.«
Nach Ansicht von Gilbert Welch verstehen wir nicht, dass das Krebswachstum
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