Was der Hund sah
beschrieben, und das ist der Punkt, an dem ich mich bestohlen fühle.«
Auf Bitten des Anwalts setzte sich Lewis hin und erstellte eine detaillierte Liste aller fragwürdigen Passagen in Laverys Stück. In einem ersten Teil stellte sie sämtliche inhaltlichen Parallelen von Frozen und ihrer Biografie Guilty by Reason of Insanity zusammen. Im zweiten Teil zitierte sie zwölf Stellen - insgesamt rund 675 Wörter -, an denen Frozen wortwörtlich mit einem Magazinartikel übereinstimmte, der im Jahr 1997 über Lewis veröffentlicht worden war. Das Profil trug den Titel »Damaged«. Es war am 24. Februar 1997 im New Yorker erschienen. Der Verfasser war ich.
2.
Worte gehören demjenigen, der sie geschrieben hat. Es gibt kaum ein ethisches Gesetz, das so eindeutig ist wie dieses, vor allem in einer Gesellschaft, die mehr und mehr Zeit und Energie auf die Schaffung von geistigem Eigentum verwendet. In den letzten dreißig Jahren wurde die Copyright-Gesetzgebung verschärft. Gerichte sind zunehmend bereit, das geistige Eigentum zu schützen. Die Film- und die Musikindustrie kämpfen fast besessen gegen Raubkopien, und in Hochschulen und Verlagen gelten Plagiate heute nicht mehr als Kavaliersdelikt, sondern fast schon als Verbrechen. Als vor zwei Jahren herauskam, dass Doris Kearns Goodwin einige Passagen wörtlich aus den Arbeiten anderer Historiker übernommen hatte, ohne diese Zitate kenntlich zu machen, wurde sie aufgefordert, ihren Sitz im Pulitzer-Preis-Komitee zu räumen. Und warum auch nicht? Wenn sie eine Bank ausgeraubt hätte, wäre sie ja auch fristlos entlassen worden.
Ich hatte »Damaged« im Herbst 1996 geschrieben. Dazu hatte ich Dorothy Lewis in ihrem Büro im Bellevue Hospital besucht und mir Videoaufzeichnungen von ihren Interviews mit Serienmördern angesehen. Einmal trafen wir uns in Missouri, wo sie im Prozess gegen Joseph Franklin aussagte, der unter anderem den Bürgerrechtler Vernon Jordan und den Pornografen Larry Flint erschossen hatte. Während des Prozesses wurde als Beweismittel ein Interview gezeigt, das Franklin einem Fernsehreporter gegeben hatte. Er wurde gefragt, ob es ihm leid täte. In meinem Artikel hatte ich geschrieben:
»Nein, das tut es nicht«, erwiderte er. Und nach einer Pause fügte er hinzu: »Es tut mir nur leid, dass es nicht legal ist.« »Dass was nicht legal ist?«
Franklin antwortete, als hätte ihn jemand nach der Uhrzeit gefragt: »Juden umzubringen.«
Dieser Dialog tauchte beinahe wortwörtlich in Frozen auf.
Ich schrieb weiter, dass Franklin nach Ansicht von Lewis nicht voll für seine Taten verantwortlich zu machen sei. Lewis hielt Franklin für das Opfer einer neurologischen Störung und körperlicher Misshandlung im Kindesalter. »Der Unterschied zwischen einem Verbrechen aus Bosheit und einem Verbrechen aus Krankheit ist der Unterschied zwischen einer Sünde und einem Symptom«, schrieb ich. Auch dieser Satz taucht in Frozen auf, und zwar nicht nur einmal, sondern gleich zweimal. Ich faxte einen Brief an Bryony Lavery:
Ich freue mich sehr, wenn ich anderen Autoren als Quelle der Inspiration diene, und wenn Sie mich um Erlaubnis gebeten hätten, aus meinem Artikel zu zitieren - selbst längere Passagen -, dann hätte ich sie Ihnen mit Freuden gegeben. Aber wenn Sie sich ohne meine Zustimmung bei mir bedienen, dann ist das nichts anderes als Diebstahl.
Kaum hatte ich den Brief abgeschickt, kamen mir Zweifel. Ich war zwar bestohlen worden, aber ich empfand es nicht so. Ich war auch nicht verärgert. Das Erste, was ich einem Freund sagte, als ich von den Zitaten aus meinem Artikel in Frozen hörte, war, dass das vermutlich meine einzige Chance war, am Broadway gespielt zu werden. Das war nicht ganz unernst gemeint. In gewisser Hinsicht empfand ich Lavarys Zitate sogar als Kompliment. Eine geschicktere Autorin hätte die erkennbaren Bezüge zu Lewis verändert und die Passagen aus meinem Artikel umgeschrieben, um ihre Herkunft zu verschleiern. Aber wäre ich in diesem Fall besser bedient gewesen?
Dorothy Lewis war dagegen verständlicherweise verärgert. Sie zog einen Prozess in Erwägung. Um ihre Aussichten zu verbessern, bat sie mich, ihr das Copyright für meinen Artikel zu übertragen. Ich stimmte zunächst zu, änderte dann aber meine Meinung. Lewis sagte mir, sie wolle ihr »Leben zurück«. Doch dazu musste sie es offenbar erst von mir bekommen. Das kam mir ein wenig merkwürdig vor.
Dann erhielt ich ein Exemplar des Manuskripts von Frozen . Es war
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