Was der Hund sah
präsentierte abgehörte Telefongespräche irakischer Offiziere, die angeblich die geheime Stationierung von Massenvernichtungswaffen erörterten. Er zitierte Augenzeugen, die mobile Fabriken zur Herstellung von biologischen Waffen gesehen haben wollten. Am überzeugendsten war jedoch eine Reihe von Bildern, sorgfältig beschrifteten, hochauflösenden Satellitenaufnahmen von einer vermeintlichen Fabrik zur Herstellung von chemischen Waffen.
»Lassen Sie mich zunächst ein Wort zu Satellitenaufnahmen im Allgemeinen sagen, ehe ich Ihnen einige davon zeige«, begann Powell. »Die Bilder, die ich Ihnen gleich zeige, sind für normale Menschen schwer zu interpretieren, auch für mich. Diese präzise Arbeit erfordert Experten mit jahrelanger Erfahrung, die stundenlang über Lichttischen sitzen. Wenn ich Ihnen diese Bilder zeige, werde ich versuchen, Ihnen zu erläutern, was unsere Bildspezialisten auf ihnen erkennen.« Das erste Foto war am 10. November 2002 aufgenommen worden, also nur drei Monate zuvor, und Jahre nachdem der Irak sämtliche Massenvernichtungswaffen abgerüstet haben sollte. »Schauen wir etwas genauer hin«, sagte Powell und zeigte auf einen vergrößerten Ausschnitt der ersten Fotografie. Auf dem Bild war ein rechteckiges Gebäude zu sehen, vor dem ein Fahrzeug abgestellt war. »Was wir hier sehen, ist die Vergrößerung eines der vier Chemiebunker. Die beiden Pfeile weisen auf sichere Anzeichen hin, dass in diesen Bunkern chemische Waffen gelagert werden. Der obere Pfeil mit der Aufschrift ›Security‹ zeigt auf eine Einrichtung, die für diese Art Bunker typisch ist. Im Inneren befinden sich besondere Sicherheitsvorrichtungen und Geräte, die das Austreten von Chemikalien aus dem Bunker verhindern sollen.« Dann zeigte er auf das Fahrzeug neben dem Bunker. Auch dies sei ein typisches Anzeichen, behauptete Powell. »Es handelt sich um ein Dekontaminierungsfahrzeug, das bei einem Unfall zum Einsatz kommt. Es fährt zwischen diesen vier Bunkern hin und her, dorthin, wo es gerade gebraucht wird, und wo jeweils Menschen arbeiten.«
In seiner Analyse ging Powell davon aus, dass man auf dem Bild erkennen konnte, um welches Fahrzeug es sich handelte. Doch Luftaufnahmen von Fahrzeugen sind keineswegs so eindeutig, wie man sich das wünschen würde. Manchmal sehen Tanklaster so aus wie mobile Raketenabschussbasen. Ein Bild kann ein guter Ausgangspunkt sein, doch um wirklich zu wissen, worum es sich handelt, benötigt man vermutlich zusätzliche Informationen. Ich habe die Fotos zusammen mit Patrick Eddington betrachtet, der lange Jahre Bildanalytiker bei der CIA war. Eddington sah sich die Bilder genau an. »Sie behaupten, dass es sich um ein Dekontaminierungsfahrzeug handelt«, meinte er. Er hatte das Bild auf seinem Laptop und beugte sich vor, um Einzelheiten zu erkennen. »Also bei der Auflösung würde ich sagen, dass es das wahrscheinlich nicht ist. Und ich kann auch sonst keine Dekontaminierungsfahrzeuge auf dem Bild erkennen.« Das typische Dekontaminierungsfahrzeug sei ein kastenförmiger Kleinlaster aus sowjetischer Produktion, erklärte Eddington. Dieser Wagen sei dafür zu lang. Damit ich auch eine andere Meinung hörte, verwies er mich an Ray McGovern, der 27 Jahre lang als Analyst der CIA gearbeitet hatte und während der Vizepräsidentschaft von George Bush senior dessen persönlicher Sicherheitsberater gewesen war. »Ein Experte kann eine Menge auf solchen Bildern erkennen«, sagte McGovern. Er hatte eine andere Interpretation gehört. »Ich würde sagen, das ist ein Löschfahrzeug.«
13. Dezember 2004
Nur geliehen
Muss ein Plagiatsvorwurf Ihr Leben ruinieren?
1.
Im Frühjahr 2004 bekam die Psychiaterin Dorothy Lewis einen Anruf von ihrer Freundin Betty aus New York City. Betty hatte gerade in einem Broadway-Theater das Stück Frozen der britischen Schriftstellerin Bryony Lavery gesehen. »Sie sagte: ›Ich musste dabei an dich denken. Du solltest es dir unbedingt ansehen‹«, erinnerte sie sich. Lewis fragte ihre Freundin, worum es denn in dem Stück ging, und Betty erzählte ihr, eine der Figuren sei eine Psychiaterin, die Serienmörder untersucht. »Ich habe ihr nur gesagt, das interessiere mich nicht die Bohne.«
Lewis beschäftigte sich schon seit mehr als einem Vierteljahrhundert mit Serienmördern. Zusammen mit dem Neurologen Jonathan Pincus hatte sie eine Reihe von wissenschaftlichen Artikeln veröffentlicht, in denen sie nachwies, dass Serienmörder unter bestimmten Mustern von
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