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Was die Toten wissen

Was die Toten wissen

Titel: Was die Toten wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lippman
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das einfach nur dasaß – dalag, in diesem Fall -, und zwar mit fest geschlossenen Augen.
    »Ganz genau«, sagte er, als würde er das zum ersten Mal hören, als hätten ihm das seine zwei Exfrauen nicht immer wieder vorgehalten.
    Da hob sie die Lider. Ihre Augen waren von einem ganz besonders intensiven Blau, irgendwie verschwendet bei einer Blondine. Eine brünette Blauäugige, das war sein Ideal, hell und dunkel, ein irisches Mädchen, mit keckem Blick.
    »Sie sehen nicht aus wie ein Kleinkind«, sagte sie. Im Gegensatz zu Glorias Stimme hatte ihre nicht auch nur den Hauch von Anzüglichkeit. Das war nicht ihre Art. »Schon komisch, einen Moment lang hatte ich diese riesige Zeichentrickfigur vor Augen, die mit der Windel und der Kappe.«
    »Baby Huey«, erwiderte er.
    »Ja. War das eine Ente oder ein Huhn? Oder ein echtes Baby?«
    »Ein Huhn, glaube ich.« Vielleicht sollten sie doch besser den Neurochirurgen holen. »Sie haben erzählt, dass Sie etwas über einen alten Mord wissen, der hier in Baltimore passierte. Darüber möchte ich mit Ihnen sprechen.«
    »In Baltimore hat es angefangen. Wo es aufgehört hat … das weiß ich so genau nicht. Noch nicht mal, ob es überhaupt ein Ende gab.«
    »Wollen Sie damit sagen, irgendwer hat sich jemanden in Baltimore geschnappt und den Mord anderswo begangen?«
    »Ich bin mir nicht sicher – am Ende … also, nicht am Ende, aber an der Stelle, wo die schlimmen Dinge passiert sind. Da weiß ich nicht mehr, wo wir da waren.«
    »Warum erzählen Sie mir nicht einfach die Geschichte und lassen mich das herausfinden.«
    Sie wandte sich an Gloria. »Wissen die Leute, wer wir sind – ich meine, sagt ihnen der Name noch etwas? Auch jetzt noch?«
    »Wenn man von hier ist, bestimmt«, entgegnete die alte Kröte
mit ungewohnt sanfter Stimme. Hatte sie es auf die Frau abgesehen? War sie deshalb bereit, einen Fall zu übernehmen, von dem sie nicht einmal wusste, ob er sich auszahlte? Es war oft schon schwierig, den Geschmack von Männern zu verstehen, von Frauen ganz zu schweigen. Jedenfalls hatte Infante Gloria eher selten so einfühlsam erlebt. »Vielleicht erinnern sich nicht alle mehr an den Namen, aber an die Umstände bestimmt. Detective Infante ist allerdings nicht von hier.«
    »Warum sollte ich dann mit ihm darüber sprechen?« Sie schloss die Augen und lehnte sich wieder ins Kissen. Gloria ließ sich tatsächlich zu einem verlegenen Schulterzucken hinreißen. Infante hatte sie noch nie so fürsorglich mit einem ihrer Mandanten umgehen sehen. Gloria legte sich immer mächtig für ihre Mandanten ins Zeug, ließ aber nie einen Zweifel daran, wer der Boss war. Sie bedeutete ihm, ihr auf den Flur hinaus zu folgen. Er schüttelte den Kopf und wich nicht von der Stelle.
    »Erzählen Sie mir ruhig die Geschichte«, sagte er zu Gloria.
    »Im März 1975 verschwanden zwei Schwestern auf dem Weg zu einer Mall. Sunny und Heather Bethany. Danach wurden sie nie wieder gesehen. Dabei handelte es sich nicht um die Art von Verschwinden, bei dem die Polizei einen Verdacht hat und nur die Beweise fehlen. Nicht wie bei dem Powers-Fall.«
    Powers war die Kurzformel für einen Mord vor zehn Jahren, bei dem eine junge Frau verschwunden war. Niemand hatte Zweifel, dass der von ihr getrennt lebende Ehemann dahintersteckte. Es ließ sich nur nicht beweisen. Die einleuchtendste Erklärung war, dass er einen Auftragskiller engagiert und das Glück gehabt hatte, an den verschwiegensten, loyalsten Profikiller geraten zu sein, einen, der absolut keinen Grund hatte, etwas auszuplaudern. Jemand, der nie verhaftet worden war oder betrunken vor seiner Freundin damit prahlte: Ja, das war ich gewesen .
    »Sie weiß also, was damals passiert ist?«
    »Ich höre Sie«, sagte die Frau im Bett.
    »Hören Sie, Sie können sich gern an der Unterhaltung beteiligen«, wandte Infante sich an sie. Konnte man geschlossene Augen verdrehen? Ihr Gesichtsausdruck verzog sich zu dem eines genervten Teenagers, der nichts weiter wollte, als dass Mom und Dad ihn in Ruhe ließen, aber sie sagte nichts.
    »In der Anfangszeit gab es den einen oder anderen Hinweis. Eine Lösegeldforderung. Ein paar Verdächtige. Aber nichts davon führte zu einem Ergebnis. Quasi null Beweise …«
    »Sunny hieß eigentlich Sunshine«, sagte die Frau im Bett. »Sie hat es gehasst.« Sie fing an zu weinen, aber es war ihr anscheinend gar nicht klar, dass sie weinte. Sie lag einfach nur da, während ihr die Tränen übers Gesicht rannen. Infante

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