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Was die Toten wissen

Was die Toten wissen

Titel: Was die Toten wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lippman
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der Reichen hätten da ein, zwei Lexus gestanden, ein Mercedes vielleicht. Die echten Reichen mussten nicht so weit aufs Land ziehen, um genügend Platz für die ganze Familie und die Doppelgarage zu haben.
    Was die Obstbäume anging – davon war nichts mehr zu sehen, falls sie überhaupt jemals existiert hatten.
    »Na, das passt doch«, sagte er zu sich selbst im Tonfall der alten Saturday Night Shows . Sie war wirklich überzeugend gewesen in ihrer Panik, wollte partout nicht mitkommen, aber jetzt fragte er sich, ob sie nicht vielleicht einfach das Schauspiel nicht nochmals hatte aufführen wollen. Er notierte sich den Namen der Firma, die das Gelände bebaut hatte. Er würde sich bei der örtlichen Polizei erkundigen, um zu sehen, ob sie bei den Ausgrabungen Skelettreste entdeckt hatten, und Nancy bitten, das Ganze nochmals nachzuprüfen. Es war durchaus denkbar, dass solch ein Fund nicht unbedingt mit einem Fall aus Maryland in Zusammenhang gebracht wurde, geschweige denn mit einem dreißig Jahre alten. Es war immer noch nicht so, dass es eine überregionale Datenbank gab, so etwas wie
Bones-R-Us, in die man einfach ein paar Namen eingab und – voilà! – hatte man die Vermisstenfälle vor Augen.
    Er wählte die Nummer von Nancys Handy.
    »Hast du was?«, fragte sie. »Weil ich da …«
    »Das Grundstück wurde neu erschlossen. Aber ich hatte da so eine Idee. Könntest du unter dem Bezirk York nachsehen, ich weiß nicht, was du genau eingeben würdest, irgendwas wie ›Bezirk York‹ und ›Skelettreste‹ und den Straßennamen. Falls dort jemals ein Mensch vergraben wurde, müssen sie darauf gestoßen sein, als sie die Parzellen neu angelegt haben, stimmt’s?«
    »Jetzt hör dir mal an, was ich herausgefunden habe, ganz gemütlich von meinem Schreibtisch aus.«
    Infante hielt es in diesem Moment für nicht besonders galant anzumerken, was Nancy noch kriegen würde, wenn sie weiterhin gemütlich an ihrem Schreibtisch sitzen bliebe. Ihr Arsch war bereits um einiges breiter geworden. »Ja?«
    »Ich habe den Grundbucheintrag gefunden. Das Grundstück wurde 1978 an Mercer Inc. übertragen, aber der Besitzer davor war Stan Dunham. Und Dunham war in der Tat bei der Polizei, ein Sergeant beim Raubdezernat. Ging 1974 in den Ruhestand.«
    Zur Zeit des Verschwindens der Mädchen war er also bereits aus dem Amt geschieden, aber für ein Kind wäre das bedeutungslos gewesen. Dennoch, für die Kollegen wäre es sicherlich etwas leichter zu schlucken. Wenn auch nur etwas.
    »Lebt er denn noch?«
    »Scheint so. Seine Rentenzahlungen gehen an eine Adresse im Carroll County, in der Nähe von Sykesville. Es ist ein Altersheim. Aus dem, was mir die Leute dort erzählt haben, schließe ich, dass es eher eine Art Pflegeheim ist.«
    »Weshalb das denn?«
    »Bei ihm wurde vor drei Jahren Alzheimer diagnostiziert. Er weiß an manchen Tagen kaum noch, wer er ist. Laut Pflegeheim
gibt es keine Verwandten mehr, niemand, der bei seinem Ableben verständigt werden muss, aber in seinen Unterlagen ist ein Bevollmächtigter genannt.«
    »Wie heißt der?«
    »Raymond Hertzbach. Bevor du zurückfährst, könntest du noch bei ihm vorbeischauen, er wohnt in York. Tut mir leid.«
    »Hey, ich komm gern aus dem Büro raus. Ich bin schließlich nicht Polizist geworden, um den ganzen Tag am Schreibtisch zu hocken.«
    »Ich auch nicht, aber die Dinge ändern sich.«
    Es klang fast ein bisschen von oben herab, was so gar nicht Nancys Art war. Vielleicht hatte sie etwas von den Andeutungen über ihren Hintern und das, was er von ihrem neuen Arbeitsplatz hielt, mitgekriegt. Dann wäre es durchaus gerechtfertigt gewesen.
     
    Um York herum waren die Straßenverhältnisse sogar noch schlechter, und Kevin war heilfroh, dass es nicht sein eigenes Fahrzeug war, das er den Spurrillen und Schlaglöchern Pennsylvanias aussetzte. Hertzbach, der Anwalt, war ein typischer Provinzfürst, mit einer großen Werbetafel neben der Straße und einer zur Kanzlei umgebauten alten Villa. Er war kurzatmig und verschwitzt und trug ein rosa Hemd mit einer rosa geblümten Krawatte, was perfekt zu seinem rosa Gesicht passte.
    »Stan Dunham kam zu mir, gleich nachdem er das Grundstück verkauft hatte.«
    »Wann war das?«
    »Vor etwa fünf Jahren.«
    Der neue Eigentümer muss das Grundstück schnell weiterverkauft haben, und wahrscheinlich hat er noch mehr dafür bekommen.
    »Es war ordentlich viel Geld für Dunham, aber er war weitsichtig genug, um zu erkennen, dass er

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