Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was die Toten wissen

Was die Toten wissen

Titel: Was die Toten wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lippman
Vom Netzwerk:
Verhütung anging. Schließlich schlief sie gar nicht mehr mit ihm, und er fing an, sie zu hintergehen. Die Frage nach dem, was zuerst eingetreten war, entwickelte sich zur Huhn/Ei-Debatte, um die sich bei ihrer Scheidung alles drehte. Was Infante sauer machte, war, dass sie es weiterhin ablehnte, Ursache und Wirkung anzuerkennen, und ihm die Schuld an allem gab.
    »Um eine Ehe muss man kämpfen!«, brüllte sie ihn an. »Du hättest es mir beichten können oder ein Beratungsgespräch vorschlagen oder darüber nachdenken können, was dazugehört hätte, dass ich mich wieder … wie eine Frau fühle.« Über den letzten Teil war er sich bis heute noch nicht im Klaren, aber er nahm an, dass es etwas mit Fußmassage, Schaumbädern und spontanen Geschenken zu tun hatte. »Ich kämpfe ja jetzt darum«, hatte er zurückgeschrien. »Ich rede mit dir, und ich sitze gerade mit dir in der Eheberatung, für die übrigens nicht die Krankenkasse aufkommt.«
    Aber es war vorbei. Es war ihre Entscheidung gewesen. Wo er auch hinsah, es war immer das Gleiche mit Scheidungen: Es waren immer die Frauen, die sie wollten. Na klar gab es Arschlöcher, Typen, die auf niemanden Rücksicht nahmen, die ihre Frauen wechselten wie Unterhosen. Dennoch waren diese kompletten Idioten Infantes Erfahrung nach eher dünn gesät. Die meisten geschiedenen Männer, die er kannte, waren wie er; Typen, die Fehler gemacht hatten, aber auf keinen Fall die Scheidung wollten. Von Lenhardt, dessen zweite Ehe ihn etwas frommer als Mann hatte werden lassen, stammte der Spruch, dass der Wunsch nach Eheberatung das erste Anzeichen dafür sei, dass deine Frau kurz davor stand, dich zu verlassen.
»Beziehungen sind für Frauen wie ein Schachspiel«, sagte er. »Sie haben den Überblick über das gesamte Brett, planen weit im Voraus. Sie sind ja auch die Königinnen. Wir sind die Könige, denen nur ein Feld in jeder Richtung zusteht, das ganze Spiel über immer in der Defensive.«
    Mit seiner zweiten Frau, Patty, hatte sich Infante gar nicht erst zur Beratung angemeldet. Sie kamen direkt zur Sache, nahmen sich Rechtsanwälte, die sie sich nicht leisten konnten, machten Schulden wegen der Aufteilung der paar armseligen Besitztümer. Wieder war er froh gewesen, dass sie keine Kinder hatten. Patty war keine Bibelgelehrte, geschweige denn sonst eine Gelehrte. Sie hätte das Kind entzweit, noch bevor Salomon dazu gekommen wäre, es ihr anzubieten. Der Hammer aber war, dass er es eigentlich hatte kommen sehen. Obwohl sie bereits zwei Ehen hinter sich hatte, schleppte sie ihn zur Hochzeit in die Kirche, und da schwante ihm bereits, was für einen Riesenfehler er gerade machte. Als er sie den Gang zum Traualtar entlanggehen sah, war ihm, als käme ein Lastwagen auf ihn zugerollt.
    Der Sex war allerdings gut gewesen.
    Die Interstate 83 wurde umgehend schlechter, sobald man in Pennsylvania war, und er musste seine Geschwindigkeit um zehn Meilen drosseln. Dennoch konnte er verstehen, warum jemand, der in Baltimore arbeitete, sich lieber hier niederließ, gut vierzig Meilen entfernt, und nicht nur wegen der Steuern. Es war schön, auf diese wogenden bernsteingelben Kornfelder zu blicken, wie sie in America the Beautiful besungen wurden. Er nahm die erste Ausfahrt und folgte der Wegbeschreibung, die Nancy im Internet gefunden und ausgedruckt hatte, fuhr eine sich nach Westen schlängelnde Straße entlang und bog dann in nordöstliche Richtung ab. Ein McDonald’s, ein K-Mart, ein Wal-Mart, die Gegend war ganz schön bebaut. Die Autoreifen untermalten mit ihrem Surren seine schlimmsten Befürchtungen. Wie gut standen wohl die Chancen, dass
zwanzig Hektar Ackerland unberührt geblieben waren, bei all der Geländeerschließung drumherum?
    Sie waren gleich null. Obwohl er sich bereits eindeutig im 13350er Abschnitt befand, fuhr er noch ein paar Meilen weiter, vorbei an den Glen Rock Estates, in der Hoffnung, er habe sich getäuscht, dann drehte er um. Nein, die Adresse erwies sich als ein Neubauprojekt, das sich als »exklusives Wohnviertel mit großzügigen Grundstücken und Häusern für den gehobenen Anspruch« ausgab. In diesem Fall schien sich »großzügig« auf 400 bis 800 qm zu beziehen, und die exklusiven Häuser waren zwei bis drei Jahre alt, nach dem mickrigen Baumbestand und den spärlich bewachsenen Grünflächen zu urteilen. Was die Autos in der Auffahrt betraf, sahen die mehr nach mittlerem Management aus, Subarus, Camrys und Jeep Cherokees. In einer wahren Siedlung

Weitere Kostenlose Bücher