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Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
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mit Gürtel – und ging ins Wohnzimmer zurück. Jemand hatte das Licht gedämpft. Ich bahnte mir einen Weg durch die Menge, »’tschuldigung … sorry …« Als ich ihn nicht finden konnte, schlängelte ich mich noch einmal durch. »Sorry …« Das Wohnzimmer war überfüllt, aber klein. Kein Zweifel: Er war weg.
    Zwei Jahre später war meine Ausbildung abgeschlossen, und ich machte die Entdeckung, dass meine Berufsberaterin in der Schule in einem Punkt recht gehabt hatte: Für Absolventinnen waren Physiotherapeutinnenstellen dünn gesät. Am Ende bekam ich einen Job auf einer kleinen Station im Ortskrankenhaus meiner Heimatstadt. Eigentlich wollte ich nicht wieder nach Hause ziehen, aber mein Bewegungsradius war eingeschränkt, solange Mum noch in dem Pflegeheim wohnte. Ich hatte eine vage Vorstellung davon, dass ich eines zukünftigen Tages in meine Hochschulstadt, wo es so etwas wie Nachtclubs und Kinos gab, zurückziehen und das Leben einer normalen Singlefrau wiederaufnehmen würde. Unterdessen war das Wohnen in meiner Geburtsstadt billig. Zu dem Mietpreis, den ich als Studentin für ein Zimmer in einem Gemeinschaftshaus bezahlt hatte, bekam ich eine ganze Zweizimmerwohnung für mich allein, gerade mal fünf Minuten von der Strandpromenade.
    Es war Herbst – in jenem Jahr war die Stadt überraschend golden. Es war ein guter Sommer und eine einträgliche Touristensaison gewesen. Im Lokalblatt standen optimistische Meldungen, man würde den Bau einer Seebrücke erwägen. Die meisten Städte am Meer beklagen ihr kitschiges Touristenimage. Wir strebten es an. Ich stellte mir vor, wie ich mich dazu aufraffen würde, mehr an die frische Luft zu gehen. Mein Leben nach Mum lag in weiter Ferne, verschwommen, und mir war dunkel bewusst, dass ich es als Ausflucht benutzte. In der Klinik hatte ich eine nette Freundinnenclique, und wir gingen ab und an zusammen etwas trinken. Ich traf mich noch mit einem Mann, den ich als meinen Freund von der Hochschule betrachtete. Nick kam jedes zweite Wochenende zu Besuch, würde aber bald in den Norden ziehen, um eine Stelle als Lehrer anzutreten. Mein Leben hing angenehm in der Luft zwischen dem einer Studentin und dem der Frau, die ich in nebulöser Zukunft woanders sein würde, aber nur, wenn die Zukunft den ersten Schritt machte. Ich war nicht unglücklich, nur apathisch.
    Gerade stellte ich aus einigen Notizen in meinem Büro einen Bericht zusammen, als ich ein leises Klopfen an der Tür hörte. Mary, eine unserer Ergotherapeutinnen. »Kannst du meinen Vier-Uhr-Patienten übernehmen?«, fragte sie. »Die Schule hat eben angerufen.« Den Regenmantel hatte sie schon an. Nur halb in der Tür stehend, trommelte sie mit den Fingern gegen den Rahmen, ungeduldig loszukommen. Mary nervte mich – andauernd mussten wir in ihren Kinderbetreuungskrisen für sie einspringen. Später dachte ich in diesem Punkt natürlich anders, aber an jenem Nachmittag ließ ich mir so viel Zeit mit meiner Antwort, dass ihr einen Moment lang Zweifel kommen mussten, ob sie bei mir an der richtigen Adresse war. »Eigentlich hatte ich gehofft, das alles zu schaffen …« Mit einer vagen Handbewegung deutete ich auf die Formulare auf meinem Schreibtisch, die zur Hälfte schon fertig ausgefüllt waren. In Wahrheit hatte ich an dem Tag nicht viel zu tun. Als Mary an meine Tür klopfte, hatte ich mir gerade überlegt, ob ich mich zu irgendeinem Tanzkurs anmelden sollte, um in Form zu bleiben. Vielleicht Flamenco. Ich hatte mir meine Handbewegungen vorgestellt und mich gefragt, wie lange man wohl brauchen würde, bis man gut genug war, um ein Rüschenkleid anzuziehen und sich die Augenbrauen so streng anzumalen. In der Stadthalle gab es jeden Dienstag Jazzdance, aber mir schwebte etwas Exotischeres vor. Beim Flamenco machte es vermutlich nichts, dass ich keinen Partner hatte. Ich konnte mich auf die Kastagnetten konzentrieren.
    »Jamie hat frei«, sagte Mary, zu stolz, einen bittenden Unterton einfließen zu lassen, wie die meisten von uns es in ihrer Situation getan hätten.
    Seufzend zuckte ich mit den Schultern. »Na gut, dann sag deinem Vier-Uhr-Patienten, wo er mich findet.«
    Mit einem »Danke« betrat sie das Büro und übergab mir die Akte, die sie schon in der anderen Hand bereithielt.
    Während sie sich zurückzog, schob ich meine Papiere beiseite und legte die Akte auf den Tisch. Ich schlug sie auf und sah mir das Aufnahmeformular an: David Needham.
    Noch ein leises Klopfen. »Herein«, sagte ich.
    Ich

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