Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love
hatte den Eindruck, dass er leicht gebeugt eintrat, obwohl er natürlich nicht größer war als der Türrahmen – es war eher eine höfliche Geste, als wüsste er, dass man ihn mir aufgehalst hatte, und entschuldigte sich dafür, so viel Raum einzunehmen.
Ich schaute auf und dachte sofort, ach, er ist es, doch er gab auch diesmal kein Zeichen des Wiedererkennens. Warum auch? Es war unsere dritte Begegnung in vier Jahren. Er ging zu dem Stuhl vor meinem Schreibtisch, aber ich wies auf meine Untersuchungsliege, bedeckt mit einem frischen Papierstreifen. Mit einem Blick auf seine Akte sagte ich: »Machen Sie sich bitte oben rum frei.«
Er setzte sich auf die Pritschenkante und knöpfte langsam sein Hemd auf, während ich zusah. Als er es ausgezogen hatte, stand er auf, machte einen Schritt auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch zu und warf es über die Rückenlehne, ging dann zur Untersuchungsliege zurück und setzte sich wieder auf die Kante, alles, ohne in meine Richtung zu sehen. Seine Brustwarzen waren dunkelbraun und steif in der kühlen Luft meines Büros. Er hatte eine dichte Brustbehaarung, die sich zum Bauchnabel hin verjüngte. Sehr gerade saß er da und zog den Bauch ein. In den Jahren, in denen ich Patienten untersucht hatte, war mir aufgefallen, dass Männer das ganz genauso machten wie Frauen. »Sitzen Sie so an Ihrem Schreibtisch?«, fragte ich mit leicht skeptischem Unterton.
»Na ja, ich arbeite am Reißbrett«, sagte er, etwas in die Defensive gedrängt, und erwiderte meinen Blick. »Da ist es schwierig, keinen krummen Rücken zu machen.«
Ich sah mir seine Krankengeschichte an und stellte ihm ein paar Fragen, dann kam das Übliche: Stellen Sie sich vor mich hin, Hände auf die Hüften, vor- und zurückbeugen, dann zu beiden Seiten … Meine Patientinnen machen da gewöhnlich gut mit, begreifen, worauf es mir ankommt, und wollen es richtig machen, während es Männer in Verlegenheit bringt, so wenig wie sie es gewohnt sind, beobachtet zu werden. David sah allerdings nicht verlegen aus. Standhaft erwiderte er meinen Blick – es fiel mir schwer, das nicht als Herausforderung aufzufassen.
»Würden Sie sich bitte auf den Bauch legen, während ich Sie untersuche?« Ich zeigte auf die Liege. Während er sich hinlegte, blieb ich sitzen, dann sagte ich: »Ach so, es ist wohl doch besser, wenn wir das auf dem Stuhl machen. Sorry. Würden Sie bitte?« Er hob den Kopf. Ich deutete auf den Stuhl. »Sorry«, wiederholte ich.
Er setzte sich auf. »Soll ich mein Hemd wieder anziehen?« Eine Spur Irritation schwang in seiner Stimme mit.
Ich überlegte. »Nein, noch nicht.«
Während er zum Stuhl ging, stand ich von meinem Schreibtisch auf. »Treiben Sie viel Sport?«
»Manchmal Fußball«, sagte er. »Spazieren gehen, zählt das?«
»Kommt drauf an, wie schnell Sie gehen. Ich glaube, dass es angebracht wäre, Ihren Rücken zu tapen.«
»Tapen?«
»Setzen Sie sich gerade hin, die Schultern so.«
Ich stellte mich hinter den Stuhl, legte ihm meine Hände leicht auf die Schultern und zog sie zurück, bis er in der korrekten Haltung war. »Wir sind nicht zum Sitzen geschaffen, das hat Ihnen die Ergotherapeutin bestimmt schon gesagt. Unser Körperbau ist zum Liegen, Stehen und Hocken gedacht, mehr nicht. Sitzen ist nicht natürlich, und wenn Sie den Rücken so krumm machen … Ich habe Ihren Nacken und Schultergürtel untersucht, jetzt sind Ihre Gelenke dran. Heben Sie bitte die Arme.«
Wenn es in meinem Büro warm ist, werde ich nachmittags schläfrig, deshalb ist es bei mir immer ein wenig zu kalt für die Patienten. Er hatte Gänsehaut auf den Oberarmen. Seine Bizepse waren straff – er musste irgendwann Krafttraining gemacht haben.
»Wie ist meine Haltung ganz allgemein?«
»Schlecht, aber das ist nichts Außergewöhnliches bei großen Menschen. Ich untersuche jetzt Ihre Weichteile.«
Er hatte jede Menge feine dunkle Haare auf Schultern und Rücken. Sie waren ziemlich gekräuselt, was mich überraschte, weil die Haare auf seinem Kopf eher glatt waren. Zwischen den schwarzen wuchsen vereinzelt einige weiße Haare: Die sollten sich später als Vorboten erweisen. Nicht lange nach Bettys Geburt ergraute er. »Gut, Sie können Ihr Hemd jetzt wieder anziehen.«
Er sah mich an, während ich hinter den Schreibtisch zurückging und meinen Kuli in die Hand nahm. »Ich dachte, Sie wollten meinen Rücken tapen.«
Ich erwiderte seinen Blick, während er sein Hemd von der Rückenlehne nahm, die Arme in die
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