Was es heißt, in den Krieg zu ziehen
stellten sich zu ihr und blockierten den Gang völlig. Vor Wut und Demütigung zitternd, beschloss der Marine, in die andere Richtung zu gehen. Ganz gleich, wohin ich kam, hatte ich das Gefühl, etwas sei nicht in Ordnung, und fühlte es auch noch, als ich bei Maree Ann saß. Ich wusste, mit ihr zu schlafen wäre nicht richtig für mich, und wenn es für mich nicht richtig wäre, konnte es das auch für sie nicht sein. Ich war bereits wieder auf dem Sprung, ich sollte mich im Hauptquartier des Marine Corps in Washington, D.C., melden und war nicht interessiert an der Beziehung zu einer Frau mit einer vierjährigen Tochter, ganz gleich, wie gut sie aussah und wie liebevoll sie war. Sie muss es gespürt haben, und es machte die Sache fürchterlich schmerzhaft. Ich glaube, ich habe ihr von der Urethritis erzählt, bin aber nicht sicher. Sicher bin ich mir, dass ich in jenen Tagen unfähig war, überhaupt jemandem zu erklären, was ich fühlte.
Zurückweisen wollte ich sie ganz und gar nicht, aber ich wollte auch keine falschen Vorstellungen wecken. Es lastete zu viel Vergangenheit auf uns, zu viel Verflechtung, Sehnsucht und Einsamkeit. Mit sechzehn ein Baby zu bekommen, ohne Mann, ganz allein siebzehn und achtzehn zu werden, einsamer wird man sich in diesem Leben kaum fühlen können. Und dann kommt der Held zurück aus dem Krieg, will nicht mit ihr schlafen und erzählt ihr womöglich von seiner Urethritis, weil er Angst hat, ihr zu gestehen, dass er tatsächlich die emotionalen Folgen fürchtet. Mein Gott, wie wir unser Leben damit verschwenden, uns gegenseitig wehzutun.
Maree Ann wusste genauso wenig weiter wie ich, aber sie war zum Flughafen gekommen. Sie war der einzige andere Mensch neben meinen Eltern, der die Verbindung zu meiner Vergangenheit aufrechterhalten hatte, zu meiner kleinen Stadt, meinen Leuten.
Es war klar, dass mich alle anderen, »meine amerikanischen Mitbürger«, wie die Politiker sagen, verlassen hatten. Schlimmer noch. Stellen Sie sich den Schaden vor, den junge Aborigines erleiden würden, wenn sie von ihren Furcht einflößenden, bewusstseinsverändernden Initiationen zurückkehrten, und die Bewohner ihres Dorfes würden sie mit Müll bewerfen.
Ich hatte das verzweifelte Bedürfnis danach, wieder in die Gesellschaft aufgenommen zu werden. Vermutlich nahm ich am Ende unterbewusst an, etwas Falsches getan haben zu müssen, um eine derartige Ablehnung einordnen zu können. Wir hatten die Drecksarbeit gemacht. Einer, für gewöhnlich der Mann, schafft den Müll weg und wendet den Kompost. Wenn er fertig ist, kommt er zurück ins Haus, und jemand bedankt sich dafür. Der Krieg ist die Drecksarbeit der Gesellschaft, und gewöhnlich bringen die jungen Männer in ihm in Ordnung, was die Erwachsenen an Fehlern produziert haben. Was ich nach meiner Rückkehr brauchte, ohne es zu wissen, war ein Bad.
Was ich brauchte, war, dass sich Maree Ann mit mir in die Wanne setzte, mir mit den Händen über den Körper fuhr und all die falschen Gefühle und die Verwirrung aus ihm herausrieb, den Schmerz linderte, den inneren wie den äußeren, und mir neues Leben in die Haut massierte. Sie hätte mir den Schädel einseifen und ihn mit den Knöcheln bearbeiten müssen, bis mir die Tränen gekommen wären, sie hätte mir die Tränen trocknen, mit mir lachen und weinen und meinen Körper von den Toten zurückholen müssen.
Dieser Körper hatte gelitten. Er war voller Narben von den Geschwüren der Dschungelfäulnis. Er hatte die Ruhr gehabt, Durchfall, und wahrscheinlich auch eine leichte Malaria. Monatelang hatte er nichts Frisches zu essen bekommen, unter ständiger Todesangst gelitten und war immer wieder aus dem so schmerzhaft benötigten Schlaf gerissen worden, als befände er sich in den Händen eines erfahrenen Folterers. Er hatte so viel Adrenalin ausgeschüttet, dass er abhängig davon geworden war. Er hatte Narben, wo heißes Metall in ihn eingedrungen war, unter sengenden, überraschenden Schmerzen, und Narben, wo ein Sanitäter den Großteil davon wieder herausgeholt hatte. Einzelne Stücke steckten noch in ihm, einige drückten von unten gegen die Haut und wollten heraus. Die Augäpfel waren vernarbt, wo sich winzige Handgranatenspritzer in sie gegraben hatten. In den Ohren klang ständig ein hohes Pfeifen, das erst im Schlaf aufhörte, wenn die Albträume begannen.
Dieser Körper hatte alles Schmerzempfinden so weit wie irgend möglich heruntergefahren. Bis zur Gefühllosigkeit, während mein
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