Was es heißt, in den Krieg zu ziehen
schimpfte.
Kein nördlich der Mason-Dixon-Linie geborenes Mädchen wollte mit mir ausgehen. An manchen Restaurants und Kneipen hingen Schilder mit der Aufschrift: »Kein Militär!« Zwei Lieutenants wie ich wurden ermordet, erschossen aus einem vorbeifahrenden Auto heraus, als sie in ihrer weißen Ausgehuniform vor einem Hamburger-Laden in der M Street standen. Mitten in unserer Hauptstadt.
Zwei Monate vor meiner Entlassung stieg ich in einen Zug nach New York, zur Union Station. Wieder war ich in Uniform, obwohl wir ausdrücklich aufgefordert worden waren, in der Öffentlichkeit Zivil zu tragen. Um Probleme zu vermeiden. Das brachte uns in eine Zwickmühle. Wir konnten für den halben Preis Zug fahren oder fliegen, mit einem Stand-by-Ticket, aber nur, wenn wir in Uniform waren, und wir wurden nicht gerade wie Jungmanager bezahlt.
Ich kam an einer hübsch aussehenden jungen Frau vorbei, die mich ansah und schnell den Blick abwandte. Ich seufzte innerlich, während ich den schmalen Gang hinunterging, zu schüchtern, um mich auf den leeren Platz neben sie zu setzen. Ich fand einen Platz ganz hinten im Wagen, las etwas und wünschte, ich würde mich stattdessen mit ihr unterhalten.
Etwa fünf Minuten später sah ich sie aufstehen und den Gang herunterkommen. Sie sah mich mit zusammengepressten Lippen an, blieb vor mir stehen und spuckte mich an.
Dann ging sie zurück zu ihrem Platz. Ich zitterte vor Scham und Verlegenheit. Die Leute versteckten sich hinter ihren Zeitungen. Einige sahen aufmerksam aus den dunklen Fenstern, in denen nur sie selbst und das erleuchtete Innere des Wagens zu erkennen waren.
Ich wischte den Speichel weg, so gut es ging, und tat so, als versenkte ich mich in mein Buch. Ich versuchte, das Zittern unter Kontrolle zu halten. Die Frau wechselte in einen anderen Wagen. Ein kleiner Sieg. Am Ende wechselte auch ich in einen anderen Wagen, in der entgegengesetzten Richtung. Es war mir zu peinlich, in diesem Wagen zu bleiben, wo alle gesehen hatten, was geschehen war.
Wie häufig wir tatsächlich angespuckt wurden, ist Thema wilder Auseinandersetzungen. Ich denke, es kam sehr selten vor. Keinem meiner Freunde ist es passiert. Dennoch ist das zur Metapher dafür geworden, wie es den zurückkehrenden Vietnam-Veteranen erging. Dadurch, denke ich, ist der Glaube entstanden, dass es weit öfter geschah, als es tatsächlich der Fall war.
Am Tag meiner Rückkehr erwarteten mich meine Mutter und mein Vater am Flughafen, und zu meiner Überraschung auch Maree Ann, ein Mädchen, mit dem ich in der Highschool gegangen war. Maree Ann hatte ihre vier Jahre alte Tochter Lizzy und ihre Tante dabei, eine Freundin meiner Mutter. Mein kleiner Heimatort liegt nur einhundertsechzig Kilometer von der Stadt entfernt, und meine nähere Familie lebt immer noch in der Gegend. Viele waren wegen eines Jobs in die Stadt gezogen. Meine Mutter hatte alle angerufen, um ihnen zu sagen, dass ich nach Hause käme, mit der genauen Ankunftszeit. Konnten sie bitte zum Flughafen kommen und mich willkommen heißen? Gekommen war nur diese kleine, nervöse Gruppe: Mom, die ohne Erfolg versuchte, die Tränen zurückzuhalten, Dad, dem es besser gelang, der aber auch kurz davorstand, die Fassung zu verlieren. Und Maree Ann, die kleine Lizzy und Maree Anns Tante.
Es wäre nett gewesen, wenn sonst noch jemand von der Familie zum Flughafen gekommen wäre. Aber ich sagte Mom, dass es mir gleich sei. Ich brauche das nicht, so in aller Öffentlichkeit. Wir würden sie später sehen.
Niemanden sahen wir später. Für mich und meine Eltern war ich eine Ewigkeit lang weg gewesen, die anderen hatten es kaum bemerkt. Das kann man niemandem vorwerfen, das Leben ist vielfältig und voller Ablenkungen.
Trotzdem wünschte ich, es wäre anders gewesen. Vielleicht, wenn es ein großes Familienessen gegeben hätte. Jeder hätte etwas mitgebracht, und Onkel George, der in Italien verwundet worden war (komisch, dass wir immer nur sagen,
wo
jemand verwundet wurde, und nicht,
was
ihm passiert ist), hätte einen Trinkspruch ausgebracht. Mein Dad, der in Frankreich Pattons Panzer mit Benzin versorgt und die deutsche Ardennenoffensive miterlebt hatte, hätte ein paar Worte sagen können, oder Onkel Kim, der im Pazifik gegen die Japaner gekämpft hatte. Vielleicht hätte auch eine meiner Tanten, unter Tränen, bekennen können, wie glücklich es sie mache, dass ich heil zurück sei, oder meine alte kommunistische Großmutter hätte aufstehen und erklären
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