Was fühlt mein Hund, Was denkt mein Hund
ausgewachsen, paarungsfähig und auf dem Höhepunkt seiner Kräfte ist?
Beim alten Bomba dagegen scheint jedes Interesse an seiner hündischen Umwelt verloren. Er geht quasi mit sich selbst spazieren und hört nur sporadisch auf seine Menschen, weil er den Anschluss nicht verlieren will. – Offensichtlich lässt auch sein Sehvermögen nach, und so vertraut er fast ausschließlich auf seine Nase. Kein Wunder, dass ihn andere Vierbeiner nicht mehr sonderlich interessieren. Mit ihnen zu spielen, zu toben wäre ja aus vielerlei Gründen eine viel zu große Herausforderung. Ahnt Bomba, dass er alt ist, ein Hundegreis? Kann es sein, dass Hunde ein gewisses Bewusstsein dafür entwickeln, in welcher Entwicklungsphase sie gerade stecken?
Alte Hunde haben wie alte Menschen viel Erfahrung und werden daher von ihresgleichen wohlgeachtet.
GÜNTHER BLOCH: Über die Frage, ob sich Hunde ihres Alters bewusst sind, kann man lange streiten. Zum einen »zwickt« es, wie bei alten Menschen, auch bei Hundesenioren hier und da. Das fühlt man, das merkt man, das weiß man. Und immer wieder sind die körperlichen Defizite Auslöser einer sogenannten schmerzassoziierten Aggression. Denn nicht selten greift ein Hund mit gesundheitlichem Handicap (zum Beispiel mit HD, Spondilose oder einem anderen Schmerzherd) Artgenossen wohlweislich präventiv an, weil er ansonsten befürchten muss, angerempelt zu werden. Und das würde wiederum Schmerz bedeuten.
Was die soziale Komponente der Frage angeht, so wissen wir aus unseren Wolfs- und Hundestudien sehr genau, dass ältere Gruppenmitglieder aufgrund ihrer altersbedingten Klugheit sehr geschätzt werden. »Omas« und »Opas« genießen zwar keine Paarungsrechte mehr. Dafür wissen sie aber gegebenenfalls bestimmte Dinge, die Jungkaniden wegen ihrer fehlenden Lebenserfahrung einfach noch nicht wissen können. Unter Freilandbedingungen kann dieser Erfahrungsvorteil den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. Wildhunde sind deshalb schlau genug, ihre alten Familienangehörigen zu achten.
Wie intelligent sind Hunde?
Dr. Immanuel Birmelin beschäftigt sich seit über 25 Jahren mit der Erforschung des Verhaltens von Haus-, Zoo- und Zirkustieren. Dabei untersucht er auch intensiv die Intelligenz von Hunden. Gemeinsam mit seinem Team gelang es ihm zu zeigen, dass unsere Vierbeiner denken können.
Am eigenen Bernhardiner beobachtet Immanuel Birmelin jeden Tag, wie Hunde lernen.
GIBT ES »HUNDEFORSCHUNG«?
NINA RUGE: Seit wann ist Intelligenzforschung bei Hunden als seriöses wissenschaftliches Thema anerkannt?
IMMANUEL BIRMELIN: Entsprechende Forschungsprojekte gibt es zwar bereits seit zehn bis 15 Jahren. Trotzdem ist die Meinung der Wissenschaft hierzu bis heute gespalten. Das Problem ist ja, dass an seriöse Forschung bestimmte Anforderungen gestellt werden. Zum Beispiel müssen Versuche und Beobachtungen wiederholbar sein. Ein einmaliges Ergebnis zählt nicht. Am leichtesten wäre es für Wissenschaftler, mit Laborhunden zu arbeiten.
Aber im Universitätsbetrieb ist dies fast nicht möglich und zudem zu teuer und aufwendig. Aber man hat eine praktikable Lösung gefunden, indem man Hundehalter in die Forschung mit einbezieht. Konkret heißt das: Hund und Herr (oder Frau) kommen in die Universität, wo sie entsprechende Versuche durchführen und anschließend wieder nach Hause gehen.
NINA RUGE: Wie lange beschäftigen Sie sich schon mit der hündischen Intelligenz?
IMMANUEL BIRMELIN: Ich habe schon früh begonnen, meine eigenen Hunde zu beobachten, also in gewisser Hinsicht private Feldforschung betrieben. Mich hat die Grundintelligenz von Tieren einfach schon immer sehr interessiert, nicht nur die von Hunden. Entscheidend für das Verständnis tierischer Intelligenz ist meiner Ansicht nach die Tatsache, dass Emotion und Intelligenz nicht zu trennen sind. Genauso wenig wie sich Haltungsbedingungen und Intelligenzforschung voneinander trennen lassen.
NINA RUGE: Wie meinen Sie das konkret?
IMMANUEL BIRMELIN: Ganz einfach: Ein Tier muss sich wohlfühlen, sonst komme ich an seine Intelligenz überhaupt nicht heran. Wenn ein Tier sich nicht wohlfühlt, denkt es einfach nicht, löst keine Aufgaben. Diese Erkenntnis habe ich in Forschungen mit Zirkustieren gewonnen, aber auch aufgrund eigener Experimente.
Dabei hatte ich übrigens den Eindruck, dass besonders gut gedrillte, extrem gehorsame Tiere nicht besonders kreativ sind und ihr Intelligenzpotenzial nicht ausschöpfen können, weil sie
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