Was fühlt mein Hund, Was denkt mein Hund
nur auf Befehle warten.
NINA RUGE: Sie leiten seit 20 Jahren im Freiburg-Seminar, einer Einrichtung des Landes Baden-Württemberg für besonders begabte junge Menschen, Kurse in experimenteller Verhaltensforschung.
Arbeiten Sie dort auch mit Hunden?
IMMANUEL BIRMELIN: Wir haben viele wissenschaftliche Experimente durchgeführt, bei denen der Hund zum Beispiel ein Leckerli aus einem präparierten Käfig angeln oder um eine Glasscheibe laufen musste, um an die Belohnung zu kommen.
Das Ergebnis war eindeutig: Die klügeren Versuchsteilnehmer dachten ganz offensichtlich nach, was zu tun sei. Und kamen, nachdem sie das Problem begriffen hatten, ohne Umwege an das Objekt der Begierde.
WANN IST EIN TIER INTELLIGENT?
NINA RUGE: Wie definieren Sie persönlich denn tierische Intelligenz?
IMMANUEL BIRMELIN: Intelligenz heißt »denken« und »Problem lösen«. Das Tier spielt eine Situation oder Wege zur Problemlösung zunächst im Kopf durch und handelt erst dann zielgerichtet. Wir haben intensiv mit der Entlebucher Sennenhündin Cora geforscht und konnten beispielsweise anhand der schon erwähnten Leckerli-Tests nachweisen, dass sie wusste, was sie tut. Cora ist sich ihrer Handlungen also tatsächlich bewusst.
Für den Hundehalter ist die Kenntnis über die Intelligenz seines Hundes äußerst wertvoll. Schließlich kann er seinen Hund angemessener behandeln, wenn er weiß, was dieser intellektuell zu leisten vermag.
NINA RUGE: Woran merken Sie denn, dass ein Hund »denkt«?
IMMANUEL BIRMELIN: Da sieht man: Der Hund wird mit einem Problem konfrontiert und macht erst einmal eine Pause, um zu überlegen. Dann handelt er. Andere Hunde probieren gleich wie wild herum und fangen erst später an zu überlegen, wenn das spontane Handeln nicht zum Ziel geführt hat. Bei Affen gibt es übrigens ganz ähnliche Typen: Orang-Utans denken zum Beispiel meist erst einmal nach, bevor sie handeln. Bei Schimpansen ist es genau umgekehrt.
NINA RUGE: Wie darf man sich die Experimente, mit deren Hilfe Sie die Intelligenz von Hunden erforschen, vorstellen?
IMMANUEL BIRMELIN: Für einen Versuch haben wir zum Beispiel eine »Problembox« entwickelt. Dieser große Gitterbox hat auf beiden Schmalseiten unten eine Art Schublade. Wirft man von oben ein Leckerli in die Box, fällt es in eine der beiden Schubladen. Das Tier muss nun abstrahieren: »Wenn ich oben auf die Kiste springe, werde ich das Leckerli nicht kriegen. Denn sie ist oben geschlossen, und das Leckerli liegt unten auf dem Boden.« Der Hund muss also um die Box herumlaufen – und damit weg vom Leckerli –, um herauszufinden, dass sich dort eine Schublade befindet, die er herausziehen könnte. Doch selbst wenn der Hund um die Box läuft: Der Öffnungsmechanismus liegt zum einen recht versteckt und ist zum anderen auch nicht leicht zu bedienen. Acht von zehn Hunden scharren einfach herum. Nur zwei entdecken den Mechanismus und erobern das Leckerli dann ganz gezielt. Eine großartige Intelligenzleistung!
GIBT ES BESONDERS SCHLAUE HUNDE?
NINA RUGE: Mir ist aufgefallen, dass im Zirkus fast ausschließlich Mischlinge auftreten. Sie sie intelligenter als Rassehunde?
IMMANUEL BIRMELIN: Das glaube ich nicht. Ich denke, das liegt eher daran, dass Mischlinge nicht so viel kosten wie Rassehunde. Bei den vielen Hunden, die wir getestet haben, gab es in puncto Intelligenz keinen Unterschied zwischen Rasse- und Mischlingshunden.
NINA RUGE: Denken Sie überhaupt, dass die Intelligenz eines Hundes genetisch bedingt ist? Oder handelt es sich dabei eher um eine erworbene Fähigkeit?
IMMANUEL BIRMELIN: Dazu mag ich mich nicht im Detail äußern, weil man bislang zu wenig darüber weiß. Sicher ist ein gewisser Teil angeboren. Aber wie groß dieser Anteil ist, weiß niemand. Darüber gibt es nur Spekulationen. Ein »Wissenssockel«, den sich der Hund durch Lernen erworben hat, ist wichtig für ihn, um neue Probleme lösen zu können.
WIE EINZIGARTIG SIND HUNDE?
NINA RUGE: Sie haben ja über die Intelligenz vieler verschiedener Tierarten geforscht. Wo steht der Hund im Vergleich zu seinen Mitgeschöpfen?
IMMANUEL BIRMELIN: Da gibt es bislang keinerlei Vergleichsforschung, ich kann also nur aus dem Gefühl heraus antworten. Also, ein Kolkrabe ist deutlich intelligenter als ein Hund. Ich würde sagen, Hunde sind vielleicht ähnlich intelligent wie Wellensittiche.
NINA RUGE: Wie bitte?
IMMANUEL BIRMELIN: Na ja, vielleicht haben Sie bislang nur Wellensittiche kennengelernt, deren
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