Was geschah mit Angelika H.
Großartige Idee. Wollte wohl nicht erkannt werden, der Hundesohn. Hatte nur den kleinen Fehler, daß er in seinem Kostüm so auffällig wie ein Leuchtturm in der Nacht war.
Ich kriege dich! dachte Markesch. Gott, ich erwische dich!
Rücksichtslos kämpfte er sich die überfüllte Treppe hinauf, durch die Massen der Weihnachtseinkäufer, schwer mit Taschen beladen, hörte sie schimpfen und fluchen, hörte Taschen platzen und ihren Inhalt sich über die Stufen ergießen, und dann war er endlich oben auf der Schildergasse, und dort war er, der Bastard, hatte dreist ein halbes Dutzend Pänz um sich geschart und spielte den harmlosen Nikolaus.
»Hab’ ich dich!« knirschte Markesch und riß ihn an der Schulter herum. »Raus mit dem Geld, aber sofort!«
»He, was soll das …?« Ein schmales, junges Gesicht, eine Nickelbrille. Arupa!
Triumphierend riß ihm Markesch den Rauschebart ab.
Es war nicht Arupa. Es war irgendein Fremder.
»Zum Teufel, sind Sie wahnsinnig? Lassen Sie mich sofort los!«
Aus den Augenwinkeln sah Markesch etwas Rotes, den Mantel eines anderen Weihnachtsmanns. Er wirbelte herum. Und da war noch einer. Und noch einer. Mindestens ein halbes Dutzend gottverdammte Weihnachtsmänner! Und weiter die Schildergasse hinunter gab es noch mehr davon, Dutzende, vielleicht Hunderte, als hätten sich alle Weihnachtsmänner der Welt in Köln eingefunden, zur großen Weihnachtskonferenz. Unmöglich festzustellen, wer der richtige war, wer den Geldkoffer hatte.
Markesch stöhnte verzweifelt auf.
Dann sah er das Transparent, das über die Schildergasse gespannt war, tannengrün und schneeweiß, mit einem dicken, rotwangigen Weihnachtsmann auf einem durch die Lüfte fliegenden Rentierschlitten, darüber in goldenen Lettern die alles erklärenden Worte:
1. Kölner Weihnachtsmann-Treffen
Er starrte das Transparent an.
Er lachte.
Es war nicht komisch. Es war ganz und gar nicht komisch, aber er lachte trotzdem.
Ausgetrickst. Der Hundesohn hatte ihn ausgetrickst. Er hatte von diesem verfluchten Weihnachtsmann-Treffen gewußt und darauf seinen Fluchtplan aufgebaut. Es war aussichtslos. Selbst ein Großaufgebot der Polizei hätte keine Chance gehabt, ihn unter dieser Tausendschaft aus Weihnachtsmännern aufzuspüren. Und inzwischen war er vermutlich längst in irgendeinem stillen Winkel verschwunden, um sein Kostüm abzulegen, die Viertelmillion in eine Einkaufstüte zu packen und sich seelenruhig auf den Heimweg zu machen.
Eine Viertelmillion.
Einfach weg. Und von Angelika Hilling gab es keine Spur.
Markesch wandte sich ab, drehte der Weihnachtsmannarmee den Rücken zu, schälte sich aus seinem roten Mantel, ließ den Mantel achtlos fallen, schlurfte mit hängenden Schultern zur Treppe zurück, ein geschlagener Mann.
In der Unterführung kam ihm Doktor Roth entgegen.
»Was ist passiert? Haben Sie ihn? Wo ist das Geld? Großer Gott, er ist Ihnen doch nicht entwischt?«
»Sehen Sie ihn irgendwo?« knurrte Markesch. »Die Schildergasse wimmelt von Weihnachtsmännern. Es müssen Millionen sein. Der Bastard hat uns ausgetrickst.«
»Sie meinen, er ist weg? Er ist Ihnen mit dem Geld entkommen?« Es klang fast befriedigt; als hätte er nichts anderes erwartet. »Mit anderen Worten, Sie haben versagt.«
»Sie sagen es.« Markesch ging weiter.
Roth lief ihm nach. »Aber was wollen Sie unternehmen? Sie müssen doch irgend etwas unternehmen! Haben Sie denn gar keinen Anhaltspunkt, keinen Verdacht?«
Roth zerrte an seinem Ärmel.
Markesch riß sich unwillig los. »Lassen Sie das! Ich muß etwas trinken, schon gegen den Schock – immerhin bin ich der erste Schnüffler, der vom Weihnachtsmann übers Ohr gehauen wurde. Dann werde ich nachdenken. Und anschließend werde ich handeln.«
»Sie wollen trinken? Jetzt? In dieser Situation? Obwohl das Geld weg ist und Sie nicht einmal einen vagen Verdacht haben, wer der Täter sein könnte?«
Da war etwas in Doktor Roths Tonfall, das Markesch ganz und gar nicht gefiel. Ein versteckter Triumph, eine böse Freude, als hätte der Psychiater von Anfang an damit gerechnet, daß er versagen würde. Markesch kannte diesen Tonfall. Er nannte sich Schadenfreude.
»Und was ist mit Hilling?« lamentierte der Doktor unverdrossen. »Was wollen Sie Hilling sagen?«
»Die Wahrheit. Was sonst?«
Roth winkte so entrüstet ab, als wäre die Wahrheit irgendeine besondere Perversion, an die man nicht einmal im Scherz denken durfte.
»Unmöglich! Sie wissen doch, wie krank er
Weitere Kostenlose Bücher