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Was geschah mit Angelika H.

Was geschah mit Angelika H.

Titel: Was geschah mit Angelika H. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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Schienbein, weil er im letzten Jahr ihren Wunschzettel ignoriert und statt der teuren Stereoanlage nur ein billiges Transistorradio geliefert hatte. Nur unter Einsatz seiner Rute gelang es ihm, die undankbaren Satansbraten zu vertreiben.
    Doktor Eugen Roth schlenderte derweil mit einer Rose im Knopfloch und dem Geldkoffer in der Hand von Glühweinstand zu Glühweinstand und wartete auf ein Lebenszeichen des Kidnappers.
    Markesch beeilte sich, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren.
    Inzwischen verstand er, warum der Entführer ausgerechnet den Weihnachtsmarkt als Geldübergabeort gewählt hatte. Wahrscheinlich hoffte er, den Koffer an sich zu reißen und unerkannt im Gedränge zu verschwinden.
    Markesch lächelte böse hinter seinem Bart.
    Aber der Hurensohn hatte die Rechnung ohne den Weihnachtsmann gemacht. Zweifellos war er bereits irgendwo in der Menge und wartete nur auf eine günstige Gelegenheit zum Zuschlagen. Wenn er sich sicher wähnte, daß Roth allein gekommen war und keine Beschatter im Schlepptau hatte, würde er aus der Anonymität der Masse auftauchen … und geradewegs dem Weihnachtsmann in die Arme laufen.
    Zum Teufel, wer mißtraute schon dem Weihnachtsmann?
    Nicht einmal der hartgesottenste Kidnapper konnte Übles dabei denken, wenn Santa Claus über den Weihnachtsmarkt stiefelte. Außerdem stand noch nicht einmal fest, daß sie es wirklich mit einem professionellen Entführer zu tun hatten.
    Vielleicht hatte Doktor Roth recht und Angelika hatte ihre Entführung selbst inszeniert. Verdammt, er war schließlich ihr Psychiater; er mußte wissen, ob ihr ein derart schäbiges Manöver zuzutrauen war. Den eigenen Großvater um eine Viertelmillion zu erpressen …
    Haßte sie ihn wirklich so sehr?
    Denn um das Geld konnte es ihr nicht gehen; wenn der Oberst starb, würde sie ohnehin alles erben. Blieb als Motiv also nur Haß, der Wunsch, ihn zu quälen, ihn in Angst und Schrecken zu versetzen.
    So etwas kam in den besten Familien vor – vor allem in den besten Familien.
    Doch wie paßte das zu Roths Behauptung, daß Angelikas Therapie erfolgreich verlaufen war und sie nach dem tragischen Tod ihrer Eltern neuen Lebensmut geschöpft hatte? Jemand, der dem eigenen todkranken Großvater so übel mitspielte, war von der geistigen Gesundheit so weit entfernt wie der Mond von der Erde.
    Ganz davon abgesehen, sie mußte einen Helfershelfer haben. Jemand hatte den Oberst angerufen, jemand würde das Geld holen. Wer? Wen kannte Angelika gut genug, um mit ihm diesen verbrecherischen Plan in die Tat umzusetzen? Eigentlich nur Bikshu Arupa, doch den hatte sie schon vor Wochen verlassen.
    Angeblich!
    Markesch schüttelte den Kopf, wie um die unnützen Gedanken zu vertreiben. Er mußte sich auf Doktor Roth konzentrieren, den Geldkoffer. Eine Viertelmillion. Einen besseren Köder gab es gar nicht.
    Roth blieb an einer auf Hexenhaus gestylten Zuckerbäckerbude stehen, sah ungeduldig auf seine Uhr, dann kurz zu Markesch hinüber und schlenderte weiter. Er hatte bereits zwei Runden über den Weihnachtsmarkt gedreht, ohne daß der Entführer Kontakt aufgenommen hatte. Vielleicht war er mißtrauisch geworden und ließ die Übergabe platzen. Vielleicht war das Ganze nur ein Test, um festzustellen, ob Hilling die Polizei eingeschaltet hatte oder nicht.
    Markesch drängte sich durch das Gewimmel nörgelnder Kinder, gestreßter Mütter und glühweinseliger Väter und entdeckte an der U-Bahn-Treppe einen Rauschebartkollegen, einen großen, fetten Weihnachtsmann, der faul am Geländer lehnte, in seinen Sack griff, eine Flasche Bier herausholte, sie mit den Zähnen öffnete und in einem Zug leerte.
    Markesch sah es mit Neid.
    Ein kühler Schluck, das wäre was, dachte er, während ihm der Schweiß in den Rauschebart tropfte.
    Roth verharrte an der Treppe und sah wieder auf die Uhr.
    Plötzlich sprang der andere Weihnachtsmann auf ihn zu, schmetterte ihm die Faust ins Gesicht, entriß ihm den Geldkoffer und floh die Treppe hinunter.
    »Oh, Scheiße!« sagte Markesch.
    Er rannte los, an Roth vorbei, dem das Blut aus der Nase strömte, sprang die Stufen hinunter und erreichte die Unterführung. Wild sah er sich um. Dort! Da war der Hundesohn! Mit wehendem roten Mantel floh er den Aufgang Schildergasse hinauf. Markesch stürmte weiter und riß sich im Lauf den Bart vom Gesicht. Die Treppe. Schneller, schneller. Der Bastard durfte nicht entkommen, nicht mit der verdammten Viertelmillion. Sich als Weihnachtsmann zu verkleiden …

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