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Was gewesen wäre

Was gewesen wäre

Titel: Was gewesen wäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregor Sander
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zuhören. Dann gehst du runter zur Rezeption und fragst nach Julius, ob der da überhaupt wohnt. Vielleicht hast du dich ja auch getäuscht.«
    »Never ever. Das war er. Und dann? Geh ich vorbei, klopf an die Tür und sag: Tach, Julius, wo wir uns hier gerade so schön treffen. Tut mir leid mit damals, und wie geht es denn so?«
    »Also, kein schlechter Plan, wenn du mich fragst.«
    Paul liegt ruhig im warmen Wasser auf der Männerseite des Gellértbades. Auch hier sind die Räume hoch, und die türkisen Kacheln geben dem Wasser ein unglaubliches Blau. Die Männer sind nackt und einige zum Glück dicker als er. Die alten Ungarn tragen kleine Schürzen vor dem Schwanz. Weiße Schürzen mit einem schmalen Gürtel um die Hüfte. Hinten offen. So wie sie manchmal von Kellnerinnen über einem schwarzen Rock getragen werden. Diese Schürzen machen ihre Nacktheit noch offensichtlicher und lächerlich.
    Paul geht in das Dampfbad, setzt sich auf eine der feuchtwarmen Bänke aus Stein und genießt die Stille und dass durch die aufsteigende Feuchtigkeit alles um ihn herum verschwimmt.
    »Warum soll denn diese Frau bleiben?«, hatte seine Psychotherapeutin ihn vor ein paar Wochen in Berlin gefragt, und er hatte nicht gleich geantwortet, hatte an ihr vorbeigesehen in die Blätter der Linde, die vor dem Haus stand. Frau Jeschonek blieb still. Sie fragte ihn kein zweites Mal, und nach einer anfänglichen Verwunderung hatte er begonnen, das zu schätzen. »Warum sollte Astrid bleiben?« Auch bei ihr war es verlaufen wie bisher. Er hatte sich ins Zeug gelegt und Vollgas gegeben, bis er sie hatte. Bis sie mit ihm essen ging, sich von ihm ins Theater führen ließ, mit ihm schlief. Er wollte unbedingt ihre Kinder kennenlernen und sehen, wie sie lebt. Schnell sollte sie Teil seines Lebens werden, nein, eigentlich wollte er Teil ihres Lebens werden.
    Das alles lief reibungslos. Wie am Schnürchen. Nur dass dann die Stille kam in ihm, mit der Stimme, die sagte: »Du musst weg. Geh. Das ist nicht echt.« Er war erschrocken, als er dies wieder fühlte wie bei allen anderen. Und erstaunt über die Freude, die er fühlte, als er wenig später mit Astrid in ein Restaurant ging. Die Freude über ihre Nähe. Sie aßen gemeinsam, lachten und redeten fast ununterbrochen. Über alles. Aber sicher war er nur, solange Astrid da war.
    Paul hatte Frau Jeschonek angesehen. Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Wie lange sie so vor ihm gesessen und ihn angesehen hatte. Sie lächelte und goss ihm etwas Tee nach. »Ich glaube«, begann er und suchte langsam seine Worte, »auch vorher schon wollte ich, dass die anderen Frauen bleiben. Immer schon. Aber ich wollte auch, dass sie gehen. Wenn ich allein war, dann habe ich mich sicherer gefühlt.«
    »Einsam, aber sicher«, sagte Frau Jeschonek und wiederholte diesen Satz noch einmal. Er sah sie an, ihr schmales Gesicht mit einer runden, hellgrünen Brille. Sie war vermutlich etwas jünger als er und immer sehr unauffällig gekleidet. Er saß hier seit einem Jahr und breitete sein Innerstes aus. »Ich könnte mir das nicht den ganzen Tag anhören«, dachte er.
    Astrid war eifersüchtig, wenn er jeden Dienstag zur Therapiestunde ging, und Paul amüsierte das. Er hatte sie sonst noch nie eifersüchtig erlebt, vielleicht waren sie dafür aber auch noch nicht lange genug zusammen. »Was erzählst du der denn?«, fragte sie mehr als einmal, und Paul lächelte: »So dies und das.«
    »Auch von mir?«
    »Nein, nur von den anderen Frauen, die ich treffe, wenn ich nicht mit dir zusammen bin.« Sie zog eine Schnute und sagte: »Witzig, witzig.«
    Inzwischen ist sein ganzer Körper von Schweiß und Feuchtigkeit bedeckt. Er wischt sich über die Arme und über seinen leicht vorstehenden Bauch. »Sie haben ein paar Kilo zu viel. Das ist nicht gut«, hatte Astrid zu ihm gesagt. Da war sie noch seine Ärztin. Er steht auf, duscht und geht hinauf aufs Zimmer.
    Astrid liegt auf der Seite. Paul kann ihr Gesicht nicht sehen und nicht erkennen, ob sie schläft oder ob ihr Blick hinausgeht in den Budapester Frühlingshimmel, der immer noch blau ist. Er schmiegt sich an sie, und sie dreht den Kopf zu ihm und sagt: »Na, du.« Er küsst sie sanft auf die Schulter und umfasst ihre Brüste.
    »Hättest du die gerne mal früher gesehen?«, fragt Astrid, und Paul muss lachen.
    »Wen? Deine Brüste?«
    »Ja, du hast keine Ahnung, wie ich früher ausgesehen habe. Mit dreißig oder früher. Vor den Kindern. Oder mit sechzehn. Wie

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