Was gewesen wäre
dunklen Hof. Jana erschien im Türrahmen. Sie trug ein T-Shirt von den New York Yankees über ihrer schwarzen Unterhose, streckte sich und ging dann seufzend zum Wasserhahn und trank einen großen Zug. »Diese edlen Tropfen gestern machen aber genauso Kopfschmerzen wie das Büchsenbier von vorgestern. Scheint denn die Sonne?« Sie öffnete das Fenster, was ich vermieden hatte, weil ich dann das Gefühl hatte, der Hof würde in die Wohnung kriechen. Jana beugte sich hinaus und hob das Gesicht Richtung Himmel. »Immerhin, feinster Sonnenschein, und hier drin ist es kalt wie im Winter.«
Sie schaufelte Kaffee in die Glaskanne, goss das dampfende Wasser darauf und setzte das Sieb auf die dicke schwarze Schicht, die sich oben in der Kanne bildete. Ich hatte schon gelernt, dass man den Kaffee noch nicht runterdrücken durfte, erst nachdem er ein paar Minuten gezogen hatte, und ich wollte auch so eine Drückkaffeekanne für zu Hause, für Tobias und mich. Astrid stellte zwei rote Tassen, auf denen mit weißer Schrift Eduscho stand, vor uns auf den Tisch, steckte sich eine Zigarette an der Gasflamme des Herdes an und setzte sich zu mir. Sie legte ihre Füße auf den Tisch und sah auf den Hinterhof. »Wenn wir zusammenziehen, dann könnten wir uns auch was in Kreuzberg leisten, und mit dir würde ich wirklich gern zusammenwohnen, Süße. Oder willst du dann gleich mit Julius eine Wohnung haben? Und ob ihr überhaupt in Berlin bleibt?«
»Jana, ich bleib nicht hier«, sagte ich und drückte langsam die dicke Kaffeeschicht runter. Das gab mir ein merkwürdiges Gefühl von Zufriedenheit. Ich stand auf, holte ein Tetrapack Milch aus dem Kühlschrank und goss mir einen Schluck in den Kaffee. »Es ist ausgeschlossen, Jana. Ich will nicht hierbleiben. Dann kann ich nie wieder zurück in die DDR. Dann sehe ich meine Eltern vielleicht nie wieder oder erst, wenn die Rentner sind. Und meine Mutter dürfte nicht mehr raus, nicht mal diese kleine Fahrt zu Tante Inge würde ihr noch erlaubt werden. Was wird dann aus meinem Medizinstudienplatz? Die werden doch hier auch nicht verschenkt. Und außerdem bin ich mit Tobias zusammen und nicht mit Julius. Der lebt mit dieser Karin, wenn ich dich erinnern darf.«
Jana schnipste die Kippe in den Hof. Ein feiner Rauchfaden stieg von ihr auf in Richtung Himmel und verlor sich nach ein paar Metern. »Supertobi und deine Alten. Das wäre natürlich ein Riesenverlust. Aber was willst du machen, wenn Julius wirklich in ein paar Tagen hier steht. Deinetwegen, so wie es Sascha sagt? Deine dicke fette Liebe Julius Herne in Böhrlin-City, was dann, Assi?«
Ich sah uns gestern im Hotel Intercontinental sitzen. An diesem weißen Tisch, mit dem vielen Besteck, von dem ich nicht richtig wusste, was eigentlich für was bestimmt war. Und Julius’ Vater, der wie schon in Budapest darauf bestand, dass ich Dieter zu ihm sage, beriet mich bei der Auswahl der Gerichte, weil ich die Hälfte noch nie gehört hatte. Die Kellner schwirrten um uns herum, und Dieter schien sie gar nicht zu bemerken, er sagte nicht einmal »danke« zu einem von ihnen, und wenn sie einen Teller oder ein Glas vor ihm abstellten, dann sah er das Gebrachte an, als wäre es plötzlich, aber erwartet aus der Tischplatte gewachsen.
Er hatte mir, kurz nachdem wir uns gesetzt hatten, einen Briefumschlag mit Geld in die Hand gedrückt, und bevor ich etwas einwenden konnte, sagte er: »Kapitalismus macht Spaß, Astrid, aber nur, wenn man ein bisschen Kleingeld in der Tasche hat. Nimm das mal ruhig, es trifft keinen Armen.« Es waren, wie ich später auf dem Klo nachzählte, dreihundert Mark. Zwei Hunderter und zwei Fünfziger. Meine Hände wurden tatsächlich feucht, als ich das Geld aus dem veilchenblauen gefütterten Umschlag zog. Es war mir peinlich, und es freute mich zugleich. Eine halbe Stunde später hätte ich den Umschlag am liebsten wieder auf den Tisch geworfen, als Dieter sagte: »Wir machen es so oder so.«
Ich sah auf Janas rote Fußnägel an ihren knubbligen Zehen und sagte: »Diese Idee ist total schwachsinnig. Ich glaube gar nicht, dass Julius darauf eingehen wird, und selbst wenn, was ist, wenn sie ihn erwischen und er in den Knast kommt. Was dann?«
»Kauft sein Alter ihn raus. Hast du doch gehört, oder nicht? 30 000 Mark kostet das. Die hat er schon daliegen für den Fall. Aber sie werden ihn nicht erwischen. In ein paar Tage kannst du Julius hier an dein Herz drücken, und ihr seid fein raus.« Sie lachte laut: »Im
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