Was gewesen wäre
Betonhersteller weiterverkauft. Mit großem Gewinn, weil wir ja nun die Einzigen waren, die diesen Beton hatten. Wem habe ich also wehgetan?«
»Ach, lass es, Papa. Wirklich«, sagte Sascha, und Julius griff unter dem Tisch nach Astrids Knie und streichelte die Innenseite ihres Schenkels. »Welche Rolle spielen Sie denn im Leben meines Sohnes?«, hatte sein Vater sie gefragt, und Astrid hatte schnell geantwortet. »Wir sind Freunde.« Julius hat ihr nicht widersprochen.
»Es ist ätzend hier«, sagt Paul und deutet auf die vielen Touristen. »Komm, lass uns runtergehen in die Stadt. Weg von unseren vielen Landsleuten hier.« Astrid sieht, wie ein älterer Mann, der die Handtasche seiner Frau um den Hals trägt wie ein Bernhardiner, sie beobachtet und bereits ahnt, dass sie gleich aufstehen werden. Er bläst die Backen auf wie vor einem Rennen und setzt sich langsam in Bewegung. Astrid zieht Paul von der Bank. »Wollen wir die Zahnradbahn runter nehmen?«, fragt sie. »Guck mal dort, die sieht doch schön aus.« Paul sieht verschlafen auf die dreistöckige Holzkabine, die auf einer Metallschiene Richtung Tal wackelt, erst in dem Moment, als Astrid sie erwähnt, und ist begeistert. Sie setzen sich auf eine der Holzbänke und werden quietschend ans Donauufer gefahren.
Gern würde Paul vor dem Café Central sitzen, als sie zufällig wieder daran vorbeigehen, aber es gibt keine Stühle draußen, und die Sonne bescheint den Bürgersteig hier auch gar nicht, weil die Straße zu eng ist.
»Außerdem, wenn wir draußen sitzen würden, könnte es auch überall sein«, sagt Astrid, und dass sie Lust auf diese kleinen Törtchen hat, die in Vitrinen hinter Glas stehen wie Schmuckstücke.
Sie setzen sich an einen runden Tisch, und Paul sagt: »Ich werde ein Wiener Schnitzel essen. Ein ganz dünnes. Mit fast überhaupt keinem Fett, und heute Abend werde ich nichts trinken. Vielleicht sollte ich im ganzen Urlaub nichts mehr trinken oder überhaupt ganz aufhören mit der Sauferei.«
Astrid sieht in die Karte, und sie wirkt, als hätte sie das alles nicht gehört, was Paul fast noch wütender macht, als wenn sie ihre medizinischen Ratschläge gibt. Aber wenn sie ihn einfach überhört, kommt er sich vor wie ein Teenager, den Mutti heute mal machen lässt. Er schaufelt sich Zucker in seinen Cappuccino, und dann sieht er die beiden Brüder am Fenster im Eck sitzen. Julius und Sascha. Sie sehen beide hinaus auf die Straße, und Astrid sitzt mit dem Rücken zu ihnen. Paul hebt seine Tasse zum Mund, aber der Kaffee ist heiß, zu heiß, um ihn zu trinken, und so stellt er ihn wieder ab. Er sieht, dass dieser Julius eine beginnende Glatze hat, und das freut ihn. Astrid blättert langsam durch den Reiseführer. Ihr Haar ist zum Zopf gebunden. Paul mag diese Frisur, auch wenn Astrid sagt, dass sie langsam zu alt dafür ist.
»Warum soll diese Frau bleiben?« Die Frage seiner Therapeutin fällt Paul wieder ein und dass er nach einer langen Pause geantwortet hat, dass er lange genug allein gewesen sei. Immer schon. Mit seinen Eltern und auch mit allen anderen Frauen. Egal, wer um ihn herum gewesen sei. Und dass er Astrid lieben würde. »Wie haben Sie das denn immer nur geschafft, dass alle Frauen Sie verlassen wollten?«, hatte die Jeschonek auch gefragt.
Paul nippt an seinem Cappuccino und denkt: »Indem ich sie zum Beispiel gegen ihren Willen nach Budapest schleppe. Direkt in die Arme ihrer großen Liebe. Ich bin so ein Idiot.« Astrid hat die beiden immer noch nicht entdeckt, und Paul überlegt, es ihr einfach nicht zu sagen, darauf zu hoffen, dass die beiden Brüder nicht aufs Klo müssen. Dass sie sich nicht umdrehen und am Ende sogar ihn erkennen würden, nach dieser unsäglichen gemeinsamen Zigarette in der Nacht vor dem Gellért Hotel.
»Da sitzen die beiden, Astrid, da sind Julius und Sascha direkt hinter dir. Am gegenüberliegenden Fenster«, sagt er dann. Es wäre lächerlich, das nicht zu tun. Astrid sitzt plötzlich ganz gerade, als hätte ihr jemand die Ellenbogen hinter dem Rücken zusammengedrückt. Sie sieht ihn an: »Mach keine … Du würdest keine Witze damit machen.«
Dann dreht sie langsam den Kopf in die Richtung, in die Paul gezeigt hat, und ihr Pferdeschwanz wippt in seine Richtung. Sie dreht den Kopf zurück und versteckt ihr Gesicht in den Händen: »Schrecklich«, sagt sie, »aber ich geh da jetzt hin.« Dann stößt sie sich ab, als würde sie ins Wasser springen, und Paul sieht, wie sie auf die beiden zu
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