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Was gewesen wäre

Was gewesen wäre

Titel: Was gewesen wäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregor Sander
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und neben ihnen in die Hocke geht. Er kann Julius’ Gesicht sehen, wie er sie erst erstaunt ansieht, weil er niemanden erwartet hat. Dann springt er auf, sagt etwas, das Paul nicht versteht. Auch Astrid kommt aus ihrer Hocke nach oben. Dann ruft Julius: »Du hast mir gerade noch gefehlt!« Und läuft an ihr vorbei durch die Tür hinaus. Paul muss lachen, richtig laut lachen, aber das bemerkt außer ihm niemand.
    Astrid lässt sich auf Julius’ Stuhl fallen und sieht Sascha an. Er lächelt. »Meine Güte, ich habe mir das oft vorgestellt«, sagt Astrid. »Ich habe mir auch genau diese Reaktion vorgestellt, aber jetzt bin ich doch erstaunt.«
    Sascha hat nun doch wieder dieses Jungengesicht von damals, nur mit fehlenden Haaren. »Schlechtes Timing«, sagt er. »Der ist verliebt, und sie hat ihn gerade versetzt, und stattdessen stehst du vor ihm.«
    »Also eigentlich wie immer«, sagt Astrid und legt die Arme auf den Tisch vor sich.

Eingepackt und gut verschnürt
    Ich hatte die Küche aufgeräumt, den Tisch abgewischt und die Betten gemacht. Die Wohnung lag hell und still, nur durch das offene Fenster des Arbeitszimmers fiel der Lärm der Prenzlauer Allee. Es würde ein Arbeitszimmer bleiben, ein Raum mit einem alten hässlichen Eichentisch aus unserer Rostocker Wohnung, auf dem Tobias seinen neuen Computer stehen hatte und an den Abenden und Wochenenden an seiner Doktorarbeit schrieb.
    Seit einem Jahr wohnten wir in Berlin, Prenzlauer Berg, in der Chodowieckistraße, die lang und schmal lag, wie ein Schlauch zwischen Prenzlauer und Greifswalder. Tobias hatte eine Stelle für die Facharztausbildung in Herzberge bekommen. Orthopädie. Fünfzehn Bewerbungen hatte er geschrieben, und mir kam das immer noch so vor, als wäre diese Stelle der reine Zufall, aber er behauptete steif und fest, dass das ein Traum sei. »Ein großes operatives Fach, was will ich mehr?« Mein praktisches Jahr war fast vorüber, und ich hatte eine Stelle als Arzt im Praktikum in Frankfurt/Oder in Aussicht. Da könne ich doch jeden Tag mit dem Zug hinfahren, sagte Tobias. Was ich denn eigentlich wolle?
    Ich wollte ein Kind, und das wusste Tobias auch. Ich wollte, dass dieser hässliche Eichentisch aus dem vorderen Zimmer verschwindet, dass wir das hellblau streichen und weiße Schäfchenwolken darüber malen und dass da ein Gitterbettchen steht und eine Spieluhr oben drüber hängt. Vor zwei Wochen hatte ich das Baby verloren. Ohne Schmerzen und fast ohne es zu merken. Erst als ich das Blut sah in der Toilette und dann auch an mir, wie es mir die Beine herunterlief, verstand ich langsam, wie durch eine dicke Glasscheibe, was da passiert war.
    »Das war noch kein Baby«, sagte Tobias und sah mich durch seine neue, dunkelgrün gerandete eckige Brille an, die er sich bei Fielmann gekauft hatte. Er hielt mich im Arm wie eine der Puppen, an denen man im Erste-Hilfe-Kurs das Versorgen von Verletzungen übt. Dann strich er mir über den Kopf und sagte: »Komm schon. In Embryologie hattest du eine Eins. Das waren gerade mal ein paar zusammengeklumpte Zellen. Wir machen ein neues.« Mir fehlte die Kraft, zu protestieren, ihn anzuschreien oder ihn mit Fäusten zu traktieren für seine bodenlose Stumpfheit. Tobias wollte gar kein Kind. Noch nicht. Erst mal noch verreisen. Nur wir zwei. Nach Indien vielleicht oder nach Nepal? Nach Thailand seinetwegen, schön auf so eine Insel in eine Bambushütte. Und ich sollte doch erst mal mit der Facharztausbildung anfangen und die dann lieber für das erste Kind unterbrechen. Dann könnte ich hinterher einfacher wieder einsteigen. Er sagte wirklich »erstes Kind«, so als wäre alles abgemacht. Als wäre klar, wir kriegen eins und nach ein paar Jahren noch eins. Wir schaffen uns ein Kind an wie eine Waschmaschine. Wenn alles so weit ist.
    Aber ich kam an keinem Kinderwagen vorbei, ohne sehnsüchtig reinzuschauen, und wir hatten fast ein ganzes Jahr ohne jede Verhütung miteinander geschlafen. Ich hatte meine Morgentemperatur gemessen, dokumentiert und meinen Cervixschleim beobachtet, und als ich endlich schwanger war, konnte ich mein Glück fast nicht fassen. Mein Glück, denn ob es für Tobias eines war, das wusste ich immer noch nicht. Er hatte mich einfach machen lassen, so als ginge ihn das alles nichts an. Als ich ihm sagte, dass ich schwanger sei, nahm er mich in den Arm und küsste mich auf die Wange, wie man alte Tanten küsst, und sagte: »Das ist ja großartig.«
    Wir wollten warten, bis der Wurm in mir drei

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