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Was ich dich traeumen lasse

Was ich dich traeumen lasse

Titel: Was ich dich traeumen lasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Moll
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Außer mir ist niemand da. Und ich möchte auch nicht hier sein.
    Vor dem Raum ist ein Balkon. Die Tür ist nur angelehnt. Ein leichter Windzug kommt mir entgegen. Ich trete an die Luft. Sie riecht nach Luft. Luft ohne Krankenhaus.
    Ich reiße die Verpackung auf und beiße ab. Süß und klebrig, wie es immer schmeckt. Die Sonne scheint, der Himmel ist blau. Vor mir streckt ein riesiger Ahorn seine Äste aus. Vögel zwitschern. Es ist ein schöner Tag. Den Tag interessiert nichts. Er ist einfach nur ein Tag.
    Â»Auch eine?« Plötzlich steht er neben mir und hält mir eine Packung Marlboro entgegen.
    Â»Ich dachte, du hast Feierabend.«
    Â»Ich trink hier immer mein Feierabendbier und rauch meine Feierabendkippe.«
    Â»Darf man hier rauchen?«
    Â»Nein.« Er hält mir wieder die Packung hin.
    Â»Ich rauche nicht.«
    Â»Glaub ich nicht.«
    Â»Glaub, was du willst.«
    Â»Du siehst aus, als würdest du rauchen.«
    Â»Nicht mehr.«
    Â»Du wirst wieder anfangen.«
    Â»Laberst du immer so einen Müll?«
    .Rauchen ist Scheiße.
    .Also, wenn ich rauchen würde, würdest du Schluss machen und dir eine Neue suchen?
    .Du wieder! Nein, natürlich nicht. Aber ich würde dich von morgens bis abends nerven, bis du wieder aufhörst. Das ist voll ungesund.
    .Sag bloß.
    .Ich meine, ist doch total krank, wenn man sein Leben wissentlich verkürzt.
    .Du kannst auch morgen vom Blitz getroffen werden.
    .Ich kann aber auch hundertdrei werden.
    .Mit der Lebenslinie?!
    .Ich hab noch mal genau geguckt. Sie ist gar nicht kurz. Sie ist nur unterbrochen. Guck, hier geht sie weiter.
    .Hm.
    .Hundertdrei. Und zwar mit dir. Stell dir nur vor, wie geil, wir zwei total verschrumpelt, aber happy auf einer Bank. Haus am See. Das ganze Programm.
    .Mit hundertunddrei fange ich aber definitiv an zu rauchen.
    .Abgemacht. Aber keinen Tag früher.
    Â»Alle fangen wieder an bei so was.« Er nimmt einen tiefen Zug. »Oder sie saufen. Oder fressen tonnenweise Süßigkeiten. Medikamente. Drogen.« Er deutet auf mein Snickers. »Fängt ja schon an.«
    Â»Ich habe Hunger.«
    Â»Und? Wie gings dir da drin?«
    Â»Gut.«
    Er lacht. »Ne, ist klar. Du bist so ’ne ganz Harte. Du hast bestimmt noch keinen Milliliter geheult und bist fest davon überzeugt, dass er nächste Woche die Augen aufklappt, wenn du nur genug an seiner Genesung arbeitest.«
    Â»Allerdings.«
    Ich schaue ihn nicht noch mal an, wozu auch, er ist ein Arschloch. Ich sollte ihn melden. So was geht doch nicht. So was kann man doch nicht auf Patienten loslassen.
    Â»Tschüss. Bis bald«, ruft er mir nach.
    Bloß nicht!
    An Ricos Zimmertür horche ich. Die Krankenschwester ist noch da. Ich klopfe trotzdem. Ich will zu ihm.
    Jetzt.
    Sofort.
    Er ist mein Freund – es ist mein Recht.
    Â»Ja, herein.«
    Â»Sind Sie fertig?«
    Â»Ja.«
    Ich sehe, dass er ein neues Hemd anhat. Eins von diesen Krankenhaushemden, die hinten offen sind. Das vorherige war hellblau, dieses ist weiß. Ansonsten sieht er aus wie eben. Nichts hat sich verändert. Doch. Auf dem Regal liegt ein riesiger Stapel Windeln.
    Â»Schöner Mix«, sagt Schwester Ulrike und deutet auf die Boxen. »Der gefällt ihm sicher.«
    Â»Kann er denn … also, hört er das denn wirklich?«
    Â»Gesicherte Erkenntnisse gibt es nicht, aber die Erfahrung sagt, dass Komapatienten mehr mitbekommen, als man denkt. Das ist natürlich von Fall zu Fall verschieden.«
    Â»Und wann …?«
    Sie schaut mich an, so lieb, dass ich den Faden wieder finde.
    Â»Und wann wird er wieder aufwachen. Erfahrungsgemäß?«
    Sie zuckt mit den Schultern. »Das kann niemand prognostizieren. Es kann bald sein, es kann aber auch …«
    Für immer sein.
    Papperlapapp.
    Länger dauern.
    Â»â€¦Â man weiß es einfach nicht. Wenn du Hoffnung hast und kämpfst, dann spürt dein Freund das. Und dann kämpft er auch. Vielleicht wacht er schon morgen auf. Alles ist möglich.«
    Â»Ja.«
    Â»Das mit der Musik ist schon ein guter Anfang.«
    Â»Ich hab noch sein Lieblingsbuch dabei.«
    Â»Nur zu.« Sie lächelt mich an. »So, jetzt ist er erst mal frisch gewaschen. Da fühlt er sich sicher schon wohler.«
    Ja?
    Ja.
    Er fühlt.
    Ich sehe ihr nach, als sie den Raum verlässt. Dann sind nur noch wir da. Rico. Ich. Die Playlist. Peter Fox. Das Haus am See.

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