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Was ich dich traeumen lasse

Was ich dich traeumen lasse

Titel: Was ich dich traeumen lasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Moll
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dir ja auch nichts weh. Und sie geben dir sowieso irgendwas für den Fall der Fälle.«
    Sein Gesicht zeigt keine Schramme. Und auch die Hände, die Unterarme sind makellos. Alles, was kaputt ist, ist unter der Haut verborgen. Blut kann nicht abfließen. Organe sind gequetscht, verbeult, aus der Form geraten. Und außen sieht alles wie immer aus.
    Es ist so still. Nur die Geräte rauschen, summen. Ich schaue zum Nachttisch. Ein Bild von ihm, links seine Mutter, rechts sein Vater, daneben Isabella. Sie lachen alle vier. Dann ein Bild von mir. Ich erkenne mich erst im zweiten Moment. Es ist ein Foto, das ich noch nie gesehen habe. Geschossen auf der Grillparty seiner Eltern. Es muss entstanden sein, nachdem wir alle in den Pool gesprungen waren. Meine Haare sind nass. Die Sonne lässt meine Haut leuchten. Ich schaue nicht in die Kamera. Ich schaue jemanden an, der nicht im Bild ist. Es muss Rico sein. Mein Bild lehnt an einer Madonna aus Holz. Sie lächelt. Genau in Ricos Richtung. Sie hat die Hand gehoben. Sie segnet ihn. Ich kenne sie. Sie steht sonst in ihrem Wohnzimmer.
    .Glaubst du etwa an Gott?
    .Du denn nicht?
    .Wenn es den gibt, ist er ein Idiot, so viel steht fest.
    .Und wieso?
    .Es interessiert ihn nicht, was dir passiert. Er hilft dir nicht.
    .Also hast du ihn schon mal um Hilfe gebeten?
    .Es ist typisch, dass du an Gott glaubst. Leute wie du glauben immer an Gott.
    .Leute wie ich?
    .Die, die immer mit einem Grinsen durch die Welt gehen, weil ihnen noch nie etwas Schlimmes passiert ist.
    .Ist dir etwas Schlimmes passiert?
    .Wahrscheinlich glaubst du sogar, er sitzt auf einer Wolke und hat einen langen weißen Bart und ein gütiges Lächeln. Und er guckt auf dich runter und freut sich, wenn es dir gut geht.
    .Wäre das so schlecht?
    .Und wenn dir was Blödes passiert, dann hat der liebe Gott das nur eingefädelt, damit du was sehr wichtiges lernst, um nachher nur noch glücklicher zu sein.
    .Ja, vielleicht.
    .Und die Kinder in Afrika krepieren nur an Aids, weil Gott so wahnsinnig nett ist.
    .Manchmal bist du echt zum Kotzen.
    .Beschwer dich doch bei dem da oben.
    Ich drehe die Madonna um. Solange ich hier bin, muss sie zu der Wasserflasche schauen, aus der er nicht trinken kann. Sein Mund ist besetzt. Durch den Tubus sind seine Lippen verzogen. Küssen kann man sie so nicht.
    Â»Du musst selber atmen, dann kommt das Ding raus. Du kannst das. Ein, aus. Ganz einfach. Das hast du achtzehn Jahre lang gemacht. Musst nur wieder anfangen. Dann geht es wie von alleine. Wenn nicht, dann bohren sie ein Loch in deinen Hals. Dann wirst du an der Herz-Lungen-Maschine hängen und dein Brustkorb wird auf und ab gesenkt, ganz gleichmäßig. Das willst du nicht. Das will keiner. Also, atme.«
    Von hinten ist die Madonna hässlich. Der, der sie geschnitzt hat, war ein fauler Sack. Vorne hui, hinten pfui. Das lange Kopftuch wirft keine Falte, die Beine sind flach, sie hat keine Waden, eckige Fersen. Afrika passt hier nicht hin. Löwengebrüll und Trommeln, das ist fehl am Platz.
    Â»Das wird dir gefallen.«
    Ich hole das Smartphone aus der Tasche und stöpsele die externen Boxen daran. Die Playlist hat mich die halbe Nacht gekostet. Sie ist perfekt geworden. Ganz sanft fängt sie an, dann kommt von Song zu Song mehr Rhythmus hinzu, am Ende klingt es easy aus. Alles Lieder, die er liebt. Alles Lieder, die gute Laune machen.
    Ich lege meine Hand unter seine. So soll man das machen. Das habe ich gelesen. Der Patient soll sich nicht bedrängt fühlen durch schwer aufliegende oder fest zugreifende Hände. Er muss sich autark fühlen. Ein autarker Mensch, der nichts mehr kann. Nicht mal mehr atmen.
    Seine Hand ist kalt. Ich schaue sie an. Ich würde sie gerne herumdrehen. Aber ich traue mich nicht. Ich weiß auch so, was ich sehen würde.
    .Guck mal hier. Das ist die Liebeslinie.
    .Und?
    .Du hast vier große Lieben.
    .Das ist aber Pech für dich.
    .Oh, du kannst von mir aus noch drei andere Männer lieben. Sohn Nummer eins, Sohn Nummer zwei, Sohn Nummer drei.
    .Gib mal deine Hand.
    .Nur eine Liebe.
    .Also keine Töchter?
    .Und keine anderen Frauen. Ich bleibe dir treu bis ins Grab.
    .Und die da?
    .Das ist die Lebenslinie.
    .Lang ist die nicht grad.
    .Deine ist dafür ewig.
    .Was soll ich denn so lange leben, wenn du schon längst über die Wupper gegangen bist?
    .Vielleicht kommen die drei anderen Männer auch erst dann. Das stört mich nicht.

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