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Was ich dir noch sagen will

Was ich dir noch sagen will

Titel: Was ich dir noch sagen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer
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gegrübelt haben. Und das ohne ein tröstendes Ergebnis, das sie endlich zur Ruhe kommen ließ.
    Noch einmal horchte sie in die Dunkelheit hinein, um sicherzugehen, dass Erik fest schlief. Dann krabbelte sie vorsichtig aus dem Bett und schlich ins Wohnzimmer, wo sie die Leselampe anknipste und sich eine Wolldecke schnappte.
    Für eine Oktobernacht war es schon recht kühl, dachte Lisa und kuschelte sich aufs Sofa.
    In Gedanken ließ sie den Abend zum wiederholten Male Revue passieren. Ihr ging das Bild einfach nicht aus dem Kopf, wie entsetzt Erik auf den Strampelanzug gestarrt hatte. Es war ein seltsam bedrückendes Gefühl. Und es wurde noch stärker, als sie sich an den Moment erinnerte, in dem Erik mit vielen, aber für sie doch unverständlichen Worten versucht hatte, ihr klarzumachen, dass er sich nicht vorstellen konnte, Vater zu werden. Lisa ermahnte sich sogleich, nicht schon wieder so schwarz zu sehen. Denn genau genommen hatte Erik bloß klargestellt, dass er zumindest
jetzt
noch kein Vater sein wollte. Natürlich würde er gerne Kinder haben wollen. Doch der Gedanke daran wäre für ihn noch sehr weit weg und sei durch das einschneidende Erlebnis in den Flitterwochen sogar noch weiter in die Ferne gerückt.
    Seine Argumente hallten in ihrem Kopf nach und verursachten wieder dieses beklemmende Gefühl, das ihre Brust einschnürte.
    «Wieso hast du es mit einem Kind auf einmal so eilig?», hatte er gefragt. «Lass uns doch erst mal leben, nach allem, was passiert ist!»
    Lisa seufzte. Wie hatte sie nur so naiv denken können, dass Erik genauso fühlen würde wie sie? Er war nun mal ein Mann. Er musste sich nicht mit biologischen Uhren und hormonbedingten Muttergefühlen auseinandersetzen. Mehrfach hatte er betont, dass er das ganze Thema alles andere als romantisch empfand.
    Auch das hatte Lisa tief getroffen. Sah er denn nicht, dass es ihr ein Bedürfnis war, darüber zu reden?
    Sie stand auf, um sich ein Glas Wasser zu holen. Als sie in der Küche zwischen all den bunten Blüten, die mittlerweile ein wenig welk geworden waren, ihre beiden Wunschzettel sah, musste Lisa schlucken. Mit Herzklopfen nahm sie die Listen zur Hand, nahm ein Glas Wasser und ging zurück ins Wohnzimmer.
    Da die Müdigkeit ihr kalt in die Knochen kroch, kuschelte sie sich sofort wieder in die wärmende Decke. Sie trank das Wasser in einem Zug aus und nahm sich dann noch einmal Eriks Liste vor. Sie hegte die irrationale Hoffnung, doch noch eine Spur Trost darin zu finden.
    Im Gegensatz zu ihrer Liste war seine mit dem Computer geschrieben. Angeblich hatte er sie bei der Arbeit so nebenbei erstellt. Doch die Art und Weise, wie er seine zehn Punkte ausformuliert hatte, ließ darauf schließen, dass er wie sonst auch nichts dem Zufall überlassen und gründlich jedes Für und Wider abgewogen hatte.
    Lisa begann zu lesen.
    Ich will …
    1. mich für die Teilnahme am Ironman auf Hawaii qualifizieren
    2. eine mindestens drei Monate lange Auszeit nehmen und Südostasien bereisen
    3. ein WM -Endspiel live im Stadion erleben
    4. politisch aktiv werden
    5. mit Motte tauchen
    6. endlich meinen Angelschein machen
    7 . einen Baum pflanzen
    8. alle Teile von «Herr der Ringe» hintereinander angucken
    9. mit einem Husky-Schlitten fahren
    10. mit Motte eine Radtour von Flensburg nach Freiburg machen
    Der Wunsch nach einem gemeinsamen Kind stand nicht auf der Liste.
    Lisa spürte, wie sich ihr Brustkorb zuschnürte. Eine neue Welle der Traurigkeit überkam sie in einer Stärke, die sie bis dahin nicht gekannt hatte. Nicht einmal, als ihre Oma gestorben war, hatte sie sich so niedergeschlagen gefühlt. Natürlich hatte es damals auch keinen Trost gegeben, dennoch war es ein ganz anderes Gefühl der Trauer gewesen, als sie jetzt empfand.
    Sicher, vielleicht musste sie sich einfach nur gedulden, bis auch Eriks Wunsch nach einem Kind groß genug sein würde. Doch wenn sie ganz ehrlich war, fühlte Lisa tief in ihrem Inneren schon lange diesen leisen, aber nagenden Gedanken, dass sie womöglich niemals eigene Kinder haben würde. Warum nur war es ihr die ganze Zeit über so schwierig erschienen, das Thema offen und geradeheraus anzusprechen?
    Sie versuchte, sich Situationen oder Gespräche ins Gedächtnis zu rufen, in denen Erik Andeutungen gemacht oder gar Argumente vorgebracht hatte, die gegen die Gründung einer Familie sprachen. Denn obwohl er es nie konkret formuliert hatte, waren es gerade die Worte, die er zu diesem Thema nicht gesagt hatte, die

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