Was ich dir noch sagen will
verunsicherte sie stark. Plötzlich taten sich so viele offene Fragen auf. Etwa, ob sie Erik im Alltag nicht genug bieten konnte und ob sie überhaupt zueinander passten.
Es hatte keinen Sinn, dachte Lisas. So kam sie nicht weiter. Die Müdigkeit und auch die Einsamkeit der Nacht taten ihr Übriges, dass sie immer trauriger wurde. Kurzerhand beschloss sie, so gut es ging, an etwas anderes zu denken und wieder ins Bett zu gehen, um hoffentlich doch noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen.
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13.
Als Lisa am nächsten Morgen aufwachte, war sie im ersten Moment glücklich.
Ihre Gedanken waren noch schlaftrunken und bildeten im Kopf ein paar verschleierte Bilder ab. Sie hatte geträumt, es wäre Weihnachten gewesen. Ihre ganze Familie war gekommen und hatte sich um den bunt gedeckten Küchentisch verteilt. Alle waren dabei gewesen. Sogar Oma Helene. Sie hatte Emi auf dem Schoß sitzen und Lisa gefragt, wann denn das nächste Enkelkind käme.
Und jetzt fiel es Lisa wieder ein: Im Traum war sie im frühen Stadium schwanger gewesen!
Ihre Oma hatte sie in den Arm genommen und fest an sich gedrückt. Daraufhin war Erik neben ihr neugierig geworden und hatte unbedingt wissen wollen, worüber sich Helene und Lisa so freuten.
Und dann war Lisa aufgewacht.
Das wohlige Gefühl, das ihr dieser Traum bescherte, hielt zwar noch einen Moment lang an. Doch allmählich mischten sich trübe Gedanken an die Nacht darunter.
Lisa wollte nicht erneut ins Grübeln verfallen, außerdem erschien ihr der Kummer nach dem Aufwachen nicht mehr ganz so quälend wie noch am Abend zuvor. So war es ihr schon oft ergangen. Deshalb mochte sie diese kostbaren Augenblicke am Morgen so sehr, die leise Zeit zwischen Traum und Tag.
Erik musste bereits zu seinem Training aufgebrochen sein, denn seine Seite vom Bett war leer.
Verschlafen räkelte Lisa sich noch eine Weile. Erst als sie sah, dass es bereits kurz vor zwölf war, sprang sie mit einem Satz aus dem Bett. Kopfschüttelnd ermahnte sie sich, das Beste aus dem freien Sonntag zu machen, und ging ins Bad.
Die Sonne schien, und der Tag lag gänzlich unverplant vor ihr. Vielleicht würde Erik später mit frischen Brötchen nach Hause kommen, und sie könnten versöhnlich zusammen frühstücken. Vielleicht würde sich im Laufe des Nachmittags auch eine bessere Gelegenheit ergeben, noch einmal über ihre Wunschlisten zu sprechen. Aber diesmal in einer humorvolleren, leichteren Art. Und vielleicht konnten sie sich, da der erste Schock jetzt verdaut war, dann auch auf eine Art Kompromiss einigen, einen späteren, aber absehbaren Zeitpunkt, wann sie aufhören würden zu verhüten.
Vor dem Badezimmerspiegel blieb ihr Blick an der kleinen Schachtel hängen, in der sie die Antibabypille aufbewahrte.
Wie das schon klingt, Antibaby …, dachte Lisa abschätzig. Seufzend griff sie nach der Schachtel und nahm eine Pille heraus. Es war ihre letzte Vorratspackung. Innerhalb der nächsten Woche würde sie sich ein neues Rezept holen müssen. Oder sollte sie einfach …?
Lisa bekam Herzklopfen. Sollte sie einfach heimlich die Pille absetzen? Sollte sie einfach darauf hoffen, dass sich dann all die Unsicherheiten mit Erik von allein lösen würden? Würde das Schicksal schon dafür sorgen, dass er sich in der Rolle als Vater zurechtfand, sobald sein Kind erst einmal auf der Welt war?
Lisa schüttelte den Kopf. Sie musste versuchen, diese leise Stimme, die von einem kleinen, auf ihrer Schulter sitzenden Teufelchen zu kommen schien, zu ignorieren. Schließlich wollte sie ein Familienleben, das keinen Betrug, sondern Liebe als Basis hatte. Aber vielleicht würde sich heute im Laufe des Tages eine gute Gelegenheit ergeben, mit Erik darüber zu reden. Eigentlich war sie nämlich auch nicht mehr bereit, weiter Hormone in sich hineinzustopfen. Und da sie wusste, wie hoch Erik ihr dieses Opfer bislang immer angerechnet hatte, würde er sich vielleicht verständnisvoll zeigen. Sie konnten schließlich auch auf anderem Wege verhüten. Dann würde sich auch ihr natürlicher Zyklus wieder einstellen können.
Außerdem war sie überzeugt davon, dass dieser Schritt endlich ein wenig Druck aus der gesamten Situation nehmen würde. Ein Druck, der schlicht dem Umstand geschuldet war, dass sie verdammt spät dran waren mit allem. Lisas Eltern waren Anfang zwanzig gewesen, als sie sich kennengelernt und geheiratet hatten. Ob die beiden das Leben ihrer Tochter im Stillen womöglich sorgenvoll
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