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Was ich dir noch sagen will

Was ich dir noch sagen will

Titel: Was ich dir noch sagen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer
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sie den anderen beiden kam. Lisa geriet ins Straucheln und stürzte schließlich zu Boden. Sie konnte keine Kraft mehr aufwenden, um sich wieder aufzurichten.
    Plötzlich vernahm sie, wie jemand ihren Namen rief: «Lisa! Lisa! Hörst du mich?»
    Die männliche Stimme war ganz deutlich zu verstehen. Sie kam ihr vertraut vor, doch sie konnte außer Erik und dem kleinen Mädchen niemanden sehen. Die beiden standen dicht zusammen und schienen auf sie zu warten. Dennoch war Lisa unfähig, sich zu bewegen. Irgendeine neue Kraft hielt sie am Boden fest. Ihre Schultern und ihr Nacken schmerzten.
    «Lisa, aufwachen!», rief die Stimme erneut. Sie war sanft, aber bestimmt. Dann rüttelte jemand an ihrem Arm.
    Als Lisa die Augen öffnete, sah sie mit einem Schlag wieder alles ganz klar. Ihr Bruder beugte sich über sie und sagte: «Lisa, wach auf! Du darfst jetzt zu Erik. Er hat die OP überstanden.»

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22.
    «Der Professor sagt, Erik hat die Operation gut überstanden. Wenn du möchtest, darfst du jetzt zu ihm.»
    Lisa sah ihren Bruder verwirrt an. Dann schaute sie sich um, und sofort war der lähmende Schmerz wieder da, der sie wie ein bleierner Mantel zu erdrücken drohte. Sie war immer noch im Krankenhaus – aber in einem kleinen Zimmer mit einer Liege. Durch das schmale Fenster fiel Tageslicht herein. Lisa konnte sich nicht daran erinnern, wie sie sich hier schlafen gelegt hatte.
    «Was hast du gesagt?», fragte sie irritiert und rieb sich die Augen. «Wie lange hab ich geschlafen? Und wo ist Papa?»
    Lenny strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. «Du hast nicht sehr lange geschlafen, ein paar Stunden allenfalls. Es ist 7 Uhr. Und Papa hat sich auf den Weg zu Renate gemacht.»
    «Ach, Lenny», entfuhr es Lisa. Sie konnte ihre Tränen nicht länger unterdrücken und sprach schluchzend weiter: «Wird Erik wieder ganz gesund?»
    Lenny hielt sie eine Weile fest in seinen starken Armen, sodass Lisa sich wie ein kleines Mädchen fühlte.
    Ach ja, ein kleines Mädchen …, dachte sie.
    Sie hatte geträumt. Und plötzlich war die Erinnerung an diesen merkwürdigen Traum sehr präsent. Mehr noch als die verschwommenen Bilder aber wurde Lisa nun von diesem friedlichen Gefühl erfasst, das sie während des Schlafs gehabt hatte. Es war ein Gefühl von Hoffnung, getragen von einer inneren Stimme, die ihr leise zuflüsterte: Du schaffst das schon. Alles wird gut!
    «Renate hat es ganz gut aufgenommen, denke ich.» Lenny redete in einer Weise, als würde er mit sich selbst sprechen. «Ich hoffe nur, dass sie auch zu ihm reindarf.»
    «Wo ist Erik? Immer noch in der OP ?», fragte Lisa. Ihre Stimme klang fremd.
    Lenny schüttelte den Kopf. «Komm, ich bringe dich hin», sagte er und half ihr beim Aufstehen.
    Behutsam führte er sie zu den Fahrstühlen am Ende des langen Ganges. Das geschäftige Treiben der Krankenschwestern registrierte Lisa nur schwach. Sie war froh, dass ihr Bruder bei ihr war und sie stützte.
    Als sich die Tür des linken Fahrstuhls öffnete, traten sie ein. Lenny drückte auf eine Taste, und nach einer gefühlten Ewigkeit kam der Fahrstuhl endlich wieder zum Stehen.
    Beim Aussteigen fiel Lisas Blick sofort auf das bedrohlich erscheinende Schild «Intensivstation». Die lange Buchstabenreihe bohrte sich förmlich in ihr Herz, und für einen Moment dachte Lisa, sie würde nicht mehr atmen können.
    Warum nur ist das alles passiert?, fragte sie sich. Warum nur? Wer will uns bestrafen? Und wofür?
    Mit weichen Knien und schmerzendem Nacken setzte sie an der Seite ihres Bruders einen Fuß nach dem anderen auf. Langsamen Schrittes kamen sie bis zu einer großen Tür, an deren Seite Lenny erneut einen Knopf betätigte. Wenige Augenblicke später öffnete sich die Tür, und eine Frau in einem grünen Kittel stand vor ihnen. Lisa konnte nicht ausmachen, ob sie eine Ärztin oder eine Krankenschwester war. Aber aufgrund ihres besorgten Blicks witterte Lisa sofort, dass sie jetzt wirklich sehr stark sein musste. Die Frau wechselte einen wissenden Blick mit Lenny, dann sah sie Lisa mitfühlend an.
    «Kommen Sie, Frau Grothe. Ich bringe Sie zu Ihrem Mann.»
    Lenny blieb an der Tür stehen, und Lisa drehte sich noch einmal zu ihm um. Sie kam sich vor wie in einem schlechten Film. Der Blick über die Schulter erschien ihr so bedeutungsschwanger, dass sie den Halt zu verlieren drohte. Es war, als würde sie in eine Vergangenheit zurückschauen, die zwar voller Unsicherheit und Sorge gewesen war, aber

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