Was ich dir noch sagen will
weißen, weichen Oberfläche und blickte auf den sanft gewölbten Horizont. Erste Sonnenschimmer verwandelten das tiefdunkle Blau der Nacht allmählich in blendende Pastelltöne, die auf einem unendlich scheinenden Wolkenmeer zu tanzen schienen. Genauso unbekümmert wie das Lächeln des kleinen Mädchens, das mit seinen glänzenden Kinderaugen plötzlich auf Lisa zugelaufen kam.
Lisa breitete ihre Arme aus. Doch das Mädchen stürmte mit einer so gewaltigen Wucht purer Lebensfreude auf sie zu, dass sie beide ins Straucheln gerieten und in einen nicht enden wollenden Abgrund zu fallen drohten.
Für einen Moment hielt Lisa den Atem an. Die Angst vor einem harten Aufprall nahm eine Dimension an, die sie zu überwältigen drohte. Doch auf einmal wurde ihr ganz warm ums Herz.
Sie hielt das lachende Kind fest umklammert in ihren Armen und landete mit ihm schließlich sanft und geräuschlos wie eine Feder auf einer anderen Wolke, die sehr viel größer war als die vorherige. Eine Woge der glückseligen Geborgenheit machte sich in ihr breit.
Weißer Nebel umlagerte sie. Er schimmert so hell und stark, dass Lisa Mühe hatte, den Horizont im Blick zu behalten. Und für einen kurzen Moment konnte sie nicht einmal erahnen, wo oben und unten war.
Dann drängte sich ihr eine viel wichtigere Frage auf: Wo war Erik?
Das kleine Mädchen neben ihr rief mit begeisterter Freude: «Papa!», und deutete zu einer anderen Wolke, die sehr viel dunkler und kleiner war und auf der nur schemenhaft die Umrisse eines jungen Mannes auszumachen waren.
Obwohl die Kleine immer lauter und drängender nach ihrem Vater rief, reagierte der Mann nicht. Er konnte sie offenbar nicht hören.
Lisa vermochte noch immer nicht zu erkennen, ob es tatsächlich Erik war, der dort in einiger Entfernung so einsam und unnahbar schien.
Auch ihr Winken erzeugte keine Reaktion. Der Mann wirkte vollkommen starr.
Als die beiden Wolken sich immer weiter voneinander zu entfernen drohten, begann das Mädchen in einer Weise zu weinen, die Lisa bis in ihr tiefstes Inneres erschütterte. Sie weinte beinahe lautlos, und doch liefen ihr dicke Tränen über das tieftraurige Gesicht hinab auf das Kleidchen, das Lisa schon einmal gesehen hatte.
Sie versuchte, ihre Gedanken zu sammeln und sich zu erinnern, woher sie dieses zauberhafte Kleid mit dem vertrauten Schriftzug kannte. Aber ihr Blick war so stark getrübt, dass sie ihn nicht entziffern konnte. All ihr Mühen war vergeblich, sie erinnerte sich nicht.
Plötzlich kam ein starker Wind auf, der das Kleid des Mädchens heftig flattern ließ. Lisa geriet ins Wanken. Die Kleine jedoch stand einfach nur da und fixierte noch immer mit sehnsuchtsvollem Gesichtsausdruck den Mann, der so weit weg schien. Seine Wolke hatte sich inzwischen so weit entfernt, dass er nur noch als kleiner dunkler Punkt auszumachen war. Instinktiv hielt Lisa das Mädchen fest an der Hand, damit es nicht hinfortgetragen wurde von einer Böe. Doch der Sturm schien sich auf einmal genauso schnell zu verflüchtigen, wie er gekommen war.
Dann war es wieder vollkommen still um sie herum. Und erst jetzt bemerkte Lisa, welch wunderschöne Melodie das Mädchen vor sich hin summte. Ihr Lied berührte sie tief.
Und dann geschah etwas ganz Unglaubliches: Ein gleißender Lichtstrahl durchfuhr den dichten Nebel. Urplötzlich verwandelte sich das Wolkenmeer in eine große, bunt blühende Blumenwiese.
Lisa verstand zwar nicht, wie sie so schnell und so sicher auf der Erde landen konnte, nahm es aber einfach hin, weil sie bereits wunderbar warme Sonnenstrahlen auf ihrer Haut spürte. Das Licht war noch immer so hell, dass sie kaum etwas erkennen konnte, und ihre Augen schmerzten bei dem Versuch, sich zu orientieren.
Nun löste sich das Mädchen aus ihrer Umklammerung und lief zu der Quelle, von der alles Leuchten zu kommen schien.
Lisa wollte hinterherlaufen, doch sie war noch immer geblendet und kam nur langsam vorwärts. Eine seltsame Energie, die von dem Licht ausging, zog sie magisch an. Sie blinzelte in das Strahlen hinein und erkannte schemenhaft, wie das kleine Mädchen auf den jungen Mann zulief, der ebenfalls von seiner Wolke gefallen war. Lisa war sich nicht sicher, aber sie hoffte, nein, sie ahnte: Es war Erik! Gleich würde auch sie ihn glücklich in die Arme schließen können.
Lisa versuchte, ihre Angst vor dem starken Sog zu überwinden und sich dem Strahlen ganz und gar hinzugeben. Doch die Energie der Lichtquelle wurde schwächer, je näher
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