Was im Dunkeln liegt
hörte ich das unverwechselbare Rumpeln des Betonmischers. Bis ich mein Gesicht gewaschen und mein T-Shirt gewechselt hatte und mich wieder in der
Lage fühlte zurückzukehren, war die Arbeit bereits in vollem Gang.
»Besser?«, fragte Danny, und ich nickte, spürte noch immer den Geschmack von Erbrochenem im Mund, der zu dem schrecklichen Gefühl in meinem Herzen passte.
Der Betonmischer war nahe am Teich aufgestellt worden, wo er seinen Inhalt etwa einen Meter von der Stelle entfernt, wo Vic arbeitete, herausschleuderte. Vic kniete auf einem großen Brett auf dem Grund des Teichs und trug mithilfe einer Maurerkelle und eines Flacheisens eine glatte Betonschicht auf wie ein Chefkoch, der eine riesige umgedrehte Geburtstagstorte glasiert.
Um Vic und seinen Gehilfen nicht unbeaufsichtigt zu lassen, hatten Simon und Danny ihre Hilfe angeboten, unter dem Vorwand, etwas über das Betonieren lernen zu wollen. Vic nahm das Angebot gerne an. Offenbar gefiel ihm die Vorstellung, mehr Hilfskräfte zur Verfügung zu haben, und als ich dazukam, fand er auch für mich eine Aufgabe – ich sollte die Rolle der Hausfrau spielen, die die Mannsleute rund um die Uhr mit Tee versorgte.
In Wahrheit beschränkte sich die Arbeit der Hilfskräfte auf ein paar unbedeutende Dienstleistungen, und so gab es immer wieder längere Perioden, in denen Simon, Danny und Gordon (wie der junge Gehilfe hieß) nur untätig herumstanden und dem Boss bei der Arbeit zuschauten. Gordon war ein geschwätziger Typ: gänzlich unempfindlich gegen das Desinteresse, das seine Ansichten über dies und das bei uns hervorrief. Erst versuchte er es mit Fußball, danach mit Popmusik, und als diese Themen nicht ankamen, ging er zu Fernsehsendungen über, doch wir waren keine Fans von The Fenn Street Gang und hatten Top of the Pops seit Wochen nicht gesehen. Sein Verhalten
uns gegenüber war eine Mischung aus Neugierde und Verachtung. Wie viele, die mit fünfzehn, sechzehn ins Arbeitsleben eingetreten waren, betrachtete er Studenten als arbeitsscheue Schmarotzer, die lange Ferien auf Kosten der Arbeiterklasse genossen und »von denen die Hälfte anschließend nichts Nützliches arbeitet – ich meine, es ist in Ordnung, wenn man Medizin studiert und Arzt wird …« Gleichzeitig repräsentierten wir aber auch eine Art von schillernder Unabhängigkeit, da wir den ganzen Sommer hier verbringen und frei über unsere Zeit verfügen konnten, ohne irgendjemandem verpflichtet zu sein – und uns vermutlich allen möglichen Ausschweifungen hingaben – Orgien und Drogen, wie es immer wieder in The Sun beschrieben wurde.
Instinktiv war uns allen klar, dass wir Gordon bei Laune halten mussten. Er war ein unsägliches Klatschmaul und würde seinen Kumpels bestimmt von der Arbeit am Gartenteich eines komischen alten Hauses erzählen, in dem eine Horde Hippies hauste. Unsere einzige Hoffnung war es, so uninteressant wie nur möglich zu erscheinen, weil Gordon ganz offenkundig annahm, wir würden ständig feiern oder uns sonst wie vergnügen. »Ich wette, ihr habt hier eine Menge toller Partys«, sagte er. »Und an den Wochenenden massenhaft Freunde zu Besuch, was?« Auf diese und andere Fragen antworteten wir mit einem klaren Nein. Wir arbeiteten nur im Garten und hielten das Haus in Ordnung – stinklangweilig waren wir.
Die beunruhigendste Frage des Morgens kam indes von Vic. Er kniete auf einem Brett im Teich, strich Beton über die gewölbte Innenseite – deren Winkel sich zum Glück nicht als zu steil für das Auftragen des Betons erwiesen hatte. »Wo steckt diese Trudie denn?«, fragte er.
Ein entsetztes Schweigen folgte. Vic konzentrierte sich auf seine Arbeit und sah unsere Gesichter nicht. »Liegt wohl noch im Bett, was?«
Ich unterdrückte mein Tourettesyndrom. Simon konnte den Blick nicht von der Stelle abwenden, wo Vic kniete. Danny erholte sich als Erster. »Sie ist nicht mehr hier«, sagte er. »Sie ist weitergezogen.«
Zunächst wurde nichts mehr zu dem Thema gesagt, doch während Gordon zu einem weiteren Exkurs über Bands wie Slade und T. Rex ansetzte, dachte ich fieberhaft über Vics Frage nach. Woher, zum Teufel, kannte er Trudie? Dann fiel mir ein, dass Trudie Simon an dem Tag, als er sich nach einem Bauarbeiter umsehen wollte, in die Stadt begleitet hatte. Offenbar hatte sie sich Vic vorgestellt – und vermutlich auch jedem anderen Bauarbeiter, den sie aufgesucht hatten. Und sie würden sie gewiss nicht vergessen
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