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Was im Dunkeln liegt

Was im Dunkeln liegt

Titel: Was im Dunkeln liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Janes
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gar nicht geschlafen hatte. Sein Kinn und die Wangen waren von bleichen Stoppeln übersät, und er trug dieselbe Kleidung wie am Vortag. Als ich hinter seinem Stuhl vorbeiging, nahm ich den schalen Geruch nach ungewaschener Haut wahr.
    Danny saß ihm gegenüber und aß Toast mit Marmelade. Im Vorbeigehen drückte ich ihm kurz die Lippen auf den Kopf. »Hi«, sagte ich. »Danke für die Blume.«
    »Weißt du zufällig, welches Datum heute ist?«, fragte er.
    Ich wusste es nicht. Wir hatten keinen Kalender und nur selten einmal eine Zeitung gekauft. Es war schon schwierig genug, die Übersicht darüber zu behalten, welcher Tag gerade war, ganz zu schweigen vom Datum. Verwirrt durch die Frage, zermarterte ich mir das Hirn nach irgendeinem bedeutsamen Datum, das ich womöglich vergessen hatte  –  ein Geburtstag, ein Jahrestag. »Keine Ahnung«, sagte ich schließlich. »Warum?«
    »Es ist nur wegen dieses Briefs, den Simon erhalten hat.« Zur Erklärung deutete Danny auf den Tisch, wo inmitten eines Wirrwarrs aus schmutzigem Geschirr, Gartenschnur und dem Stenoblock, den Danny für seinen Liebesbrief benutzt hatte, ein Umschlag lag. Er war oben aufgeschlitzt, sein Inhalt herausgenommen, gelesen und schlampig wieder zurückgesteckt worden. Seine Ankunft war ein Novum. Die Post von Simons Onkel wurde sonst
automatisch an ihn weitergeleitet, und niemand von uns hatte je einen Brief erhalten. Seit unserer Ankunft war es das erste Mal, dass der Postbote uns aufgesucht hatte.
    »Er ist von Onkel Arthur«, sagte Simon. »Er kommt früher zurück als geplant. Genauer gesagt, am neunten.«
    Ich musste das einen Moment verdauen, ehe ich sagte: »Das kann nicht mehr lange hin sein.«
    »Eine Ewigkeit«, sagte Danny. »Auf dem Joghurt, den wir gestern weggeworfen haben, stand irgendein Datum im Juli.«
    »Was nicht viel heißt«, bemerkte Simon.
    »Bedeutet das, dass wir von hier weggehen müssen?«, fragte ich, während ein Plan in mir Gestalt annahm.
    »Keine Sorge«, sagte Danny. »Du kannst bei mir wohnen. Deine Eltern brauchen das nicht zu erfahren.«
    »Von wegen«, wandte ich ein. »Ich könnte ihnen zufällig über den Weg laufen.«
    »Sehr unwahrscheinlich. Wir wohnen schließlich am anderen Ende der Stadt.«
    Ich zog es vor, das Thema nicht zu vertiefen.
    »Ich drehe jetzt das Wasser auf«, sagte Simon. »Es wird Stunden dauern, den Teich zu füllen.«
    Ich beschloss, die Gelegenheit beim Schopf zu packen. »Ich weiß, ihr wollt euch nicht damit befassen«, begann ich vorsichtig, »aber wenn Simons Onkel zurückkommt, sollten wir vorher unbedingt alle Sachen von Trudie beseitigt haben.« Da niemand antwortete, fuhr ich fort: »Ich bin bereit, den ganzen Krempel zusammenzusuchen  –   darauf zu achten, dass nichts übersehen wird. Danach sollten wir alles verbrennen.«
    »Das scheint mir auch das Beste zu sein«, sagte Danny.
    Simon schwieg.

    »Und das Séance-Zimmer könnte ich ebenfalls aufräumen, wenn ihr wollt  –  aber ich brauche etwas Hilfe, um die Möbel wieder zurückzuschieben.«
    »Kein Problem«, sagte Danny. »Das machen wir, oder, Si?«
    Simon tauchte kurz aus seiner Trance auf, um ein zustimmendes Brummen von sich zu geben.
    Besorgt musterte mich Danny. »Bist du sicher, dass du mit Trudies Sachen allein zurechtkommst?«
    »Das schaffe ich schon«, sagte ich. »Es ist besser, wenn ich das mache  –  dieser ganze Mädchenkram und so.«
    Danny umarmte mich  –  als Ausdruck des Lobs für meine vermeintliche Tapferkeit und Selbstlosigkeit.
    »Dann werde ich mal nach oben gehen«, sagte ich. »Ich kann genauso gut gleich jetzt damit anfangen.«
    Ich rannte die Treppen hinauf, zögerte erst, als ich vor der Zimmertür stand. Ich holte tief Luft, ehe ich sie öffnete. Trotz ihres wenigen Gepäcks hatte Trudie es geschafft, ihre Sachen ziemlich gleichmäßig im ganzen Zimmer zu verteilen. Die Hand auf dem Türknauf, blieb ich auf der Schwelle stehen. Einerseits schreckte ich davor zurück, mich in dem Zimmer einzuschließen, anderseits wollte ich nicht dabei ertappt werden, wie ich Trudies Geld an mich nahm  –  die Jungs waren im Moment zwar beschäftigt, doch es ließ sich nicht sagen, wie lange sie draußen bleiben würden. Ich entschied mich für einen Kompromiss, indem ich die Tür einen Spalt offen ließ  –   aber nicht weit genug, um von einem zufällig Vorbeikommenden bei meinem Tun beobachtet werden zu können.
    Je eher ich fertig wäre, desto früher würde ich von hier

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