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Was im Dunkeln liegt

Was im Dunkeln liegt

Titel: Was im Dunkeln liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Janes
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einen Nebel aus diffusen Ängsten watete, kristallisierten sich zwei Notwendigkeiten heraus: Ich musste aus diesem Haus mit all seinen schrecklichen Assoziationen verschwinden, und ich musste der verstörenden Absolutheit von Dannys Liebe entfliehen. Wenn die Lösung lautete, so schnell wie möglich von hier fortzukommen, blieb freilich ein Problem: Wohin sollte ich gehen? Jedenfalls nicht zurück nach Hause, weil meine Eltern glaubten, ich sei bei Ceciles Familie. Es würde zu viele unangenehme Fragen geben  –  und die Situation würde durch die weiterhin eintreffenden Briefe, in denen ich ihnen fröhlich mitteilte, wie gut mir Frankreich gefiele,
nicht besser werden. Eine Möglichkeit wäre es, tatsächlich nach Frankreich zu fahren. Ich hatte die Adresse. Ich sprach die Sprache  –  zumindest gut genug, um ein Ticket zu kaufen  –, und Cecile hatte mir versichert, ich sei willkommen. Die Schwachstelle dieses Plans war die finanzielle Seite. Ich war mit sehr wenig Geld in die Sommerferien aufgebrochen und hatte das meiste davon bereits ausgegeben. Wäre ich erst einmal auf dem Bauernhof von Ceciles Großvater angekommen, könnte ich bei der Obsternte mitarbeiten und mir so auch meine Rückfahrkarte verdienen. Das Problem war nur: Wie sollte ich dort hinkommen?
    Plötzlich fiel mir Trudies Geld ein. Sie hatte mindestens hundert Pfund irgendwo im Haus versteckt. Mehr als genug, um meine Flucht nach Frankreich abzudecken. Es hatte den unangenehmen Beigeschmack von Diebstahl, aber andererseits konnte Trudie mit dem Geld nichts mehr anfangen. Streng betrachtet gehörte es ihren nächsten Angehörigen, aber sie würden es niemals zu Gesicht bekommen. Warum sollte ich es also nicht für mich verwenden? Wenn einer von uns das Geld haben sollte, überlegte ich, so würde Trudie mir den Vorzug geben. Da dies kein Thema war, das ich mit den anderen besprechen konnte, hielt ich es für das Beste, sie gar nicht erst an die Existenz des Geldes zu erinnern.
    In der Stille meines Zimmers begann ich eine mögliche Route auszuarbeiten. Ich könnte Simon dazu überreden, mich zum Bahnhof nach Leominster zu fahren, wo ich einen Zug nach Newport nehmen könnte, das auf der Bahnstrecke nach London lag. Sobald ich in London wäre, dürfte es kein Problem sein, eine Verbindung zu einem Hafen am Ärmelkanal zu bekommen. Vor dem Fenster
begann eine Amsel laut zu zwitschern  –  gerade so, als wollte sie mich anfeuern.
    Vor meiner Flucht würde ich sicherstellen, dass alle Dinge, die uns belasten könnten, ordentlich entsorgt sind. Danny konnte mitunter schrecklich gedankenlos sein, und Simons Verlässlichkeit war ohnehin fragwürdig. Statt darauf zu vertrauen, dass die beiden sich um Trudies Sachen kümmerten, würde ich anbieten, Trudies Zimmer allein auszuräumen  –  und hätte dadurch gleichzeitig die Gelegenheit, die hundert Pfund aufzuspüren. Ich würde ihre Sachen draußen verbrennen, das Bettzeug waschen und das ganze Zimmer sorgfältig putzen. Ich wusste, ich könnte nicht guten Gefühls verschwinden, ehe nicht jede Spur von ihr beseitigt wäre.
    Diese Aussicht erfüllte mich mit neuer Zuversicht. Ich ging ins Bad, ließ Wasser in die Wanne ein und hielt die Hand in den Strahl, um die Temperatur zu prüfen. Es war eisig. Niemand hatte daran gedacht, den Boiler anzustellen. Aber wenn die Leute auf teuren Privatschulen kalte Bäder aushielten, konnte ich das auch. Ich ließ ein paar Zentimeter Wasser ein und stieg in die Wanne. Teufel noch mal, die Oberschicht war wirklich hart im Nehmen! Zaghaft kniete ich mich hin  –  sitzen kam überhaupt nicht infrage  –  und begann meine Gänsehaut einzuseifen, während meine Nippel sich in empörtem Protest versteiften. Vielleicht wurden kalte Bäder ja nur als eine Form von Bestrafung verordnet. Wenn das tatsächlich der Fall war, so war dieses Bad durchaus angemessen als Strafe für die Vergehen, deren ich mich schuldig gemacht hatte, und für die zusätzlichen Sünden, die ich noch zu begehen beabsichtigte.
    Ein kräftiges Abrubbeln mit dem Handtuch brachte meinen Blutkreislauf nach dem Bad wieder in Schwung.
Rasch kleidete ich mich an und vergaß auch nicht, den Zahnputzbecher mit Wasser zu füllen und mit Dannys Rose darin auf der Kommode zu platzieren. Es wäre unsinnig, die Blume demonstrativ verwelken zu lassen.
    Als ich nach unten ging, fand ich die beiden Jungs am Küchentisch sitzend vor. Ein Blick auf Simon genügte, um zu erkennen, dass er so gut wie

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