Was im Dunkeln liegt
Papiertaschentücher, ein beschriebenes Kuvert, eine zerknüllte Kit-Kat-Verpackung und ein schmales, in hellblaues Kunstleder gebundenes Büchlein mit der Aufschrift TAGEBUCH und den Initialen T. E. A. F. an der rechten unteren Ecke, beides in eleganten Goldbuchstaben geprägt.
Nachdem ich den Müll zu den anderen zu verbrennenden Sachen gestopft hatte, setzte ich mich auf die Bettkante, durchsuchte die Geldbörse und hielt dabei immer wieder inne, um über die Schulter hinweg einen Blick zur Tür zu werfen. In dem Beutel für Bargeld fand ich dreiundzwanzig Pence, die ich herausnahm und säuberlich auf der Kommode stapelte. Im Fach für die Scheine steckten zwei Ein-Pfund-Noten, mehrere zerknitterte Kassenbons und ein zerrissenes Busticket. Als ich mir das Kuvert
vornahm, stellte ich fest, dass es eine ausländische Briefmarke trug. Es war in einer geschwungenen altmodischen Schrift adressiert und ordentlich an der oberen Kante aufgeschlitzt. Innen befand sich kein Brief, nur zwei zusammenhängende Automatenfotos, die aus einem Streifen von vieren herausgeschnitten waren. Es waren Bilder von Trudie und einem anderen Mädchen, dicht aneinandergedrängt in der engen Fotokabine, beide lachend und sich in Pose werfend. Ich war versucht, die Fotos in das Büchereibuch zu dem Geld zu stecken. Es kam mir irgendwie falsch vor, ein Foto von jemandem zu verbrennen. Aber schließlich siegte die Vernunft. Ich drehte die Fotos um, damit ich Trudies Blick nicht begegnete, und legte sie in das Kuvert zurück, das ich tief in die Tasche hineinschob. Die Geldbörse hatte einen metallenen Druckverschluss, der nicht brennen würde, und so gab ich sie zu den anderen Dingen für den Müll. Zum Glück hatte Trudie ihren Namen und die Adresse nicht hineingeschrieben – im Gegensatz zu Simon, der seine Initialen an allem anbrachte, der Idiot.
Jetzt blieb nur noch das Tagebuch. Ich wusste, ich sollte es nicht tun, aber der Drang war übermächtig. Es hatte als Verschluss einen niedlichen kleinen Riemen mit Schnalle. Die Schnalle würde ebenfalls nicht brennen, aber sie war so winzig, dass das kaum etwas ausmachte. Bevor ich das Tagebuch aufschlug, drehte ich mich so, dass ich die Zimmertür im Blick hatte – auf diese Weise könnte ich nicht so leicht überrascht werden. Meine Finger zitterten, als ich das Tagebuch öffnete. Sei nicht albern, sagte ich mir, es wird dich schon nicht beißen.
Auf das Deckblatt hatte jemand geschrieben: Frohe Weihnachten 1971, in Liebe von Tante Edna und Onkel Bob.
Auf der Rückseite des Blatts, die für persönliche Angaben reserviert war, hatte Trudie pflichtbewusst die meisten Spalten ausgefüllt. Alles stand hier: ihre Heimatadresse und Telefonnummer, wen man in Notfällen verständigen sollte – Mr und Mrs R. G. Finch unter oben genannter Adresse –, sogar ihre Blutgruppe. Mit einem flauen Gefühl im Magen starrte ich auf diese Informationen.
Ein rasches Blättern durch die ersten Wochen des Jahres zeigte, dass Trudie eine begeisterte Tagebuchschreiberin gewesen war. Ihre kleine, runde Handschrift berichtete detailliert über Erfolge in der Schule – wieder die Beste in Französisch –, Besuche von Verwandten – Granny kam zum Mittagessen vorbei – und Gefühle ernsterer Natur, vor allem über ihre Leidenschaft für jemanden namens Bev und ihren Hass auf ihre Eltern.
Mit Voranschreiten des Jahres ließ Trudies Entschlossenheit, dem berühmten Tagebuchschreiber Samuel Pepys nachzueifern, merklich nach. Die zeitlichen Lücken zwischen den Einträgen wurden immer größer, bis einige Wochen lang, abgesehen von einzelnen Notizen wie Mathetest 64 % oder Nilsson immer noch Nummer 1, gar nichts mehr dokumentiert war. Ich blätterte zu schnell nach vorne und fand mich auf den noch jungfräulich weißen Seiten des frühen Septembers wieder. Sie verströmten einen stummen Vorwurf: leer, bis auf die kleinen schwarzen Datumszahlen mit den Symbolen für die jeweilige Mondphase – eine höhnische Erinnerung daran, dass niemals etwas auf ihnen verzeichnet werden würde.
Hastig blätterte ich zurück und hielt schlagartig inne, als ich meinen Namen erspähte. Katy scheint mich nicht besonders zu mögen , hatte Trudie kurz nach ihrem Einzug
bei uns geschrieben, was schade ist, weil ich sie total zum Anbeißen finde .
Aus den Augenwinkeln glaubte ich, eine Bewegung auf dem Treppenabsatz wahrzunehmen. Ich erstarrte, in ein Chaos widerstreitender Gefühle
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